„Am Ende ist es nur wichtig, wie man damit umgeht.“
Leidenschaft Handball
Aufstehen, immer wieder
Vier schwere Verletzungen in drei Jahren, und trotzdem startete sie immer wieder neu auf dem Spielfeld durch: Für Svenja Ruhöfer, Kapitänin bei der Damenmannschaft des SFN Vechta, gehört der Handball fest zu ihrem Leben. Von Rückschlägen, Comebacks und einer, die sich nie unterkriegen lässt.
Für manche Menschen ist Handball nur ein Sport. Für andere ist er Ausgleich zum Alltag, Fitnesstraining, Zeitvertreib. Und dann gibt es Menschen wie Svenja Ruhöfer, für die Handball seit ihrem vierten Lebensjahr weit mehr als das bedeutet: nämlich Leidenschaft, Identität, Heimat. Als Kapitänin der Damenmannschaft vom SFN Vechta ist die 29-Jährige nicht nur als Spielerin auf der Platte präsent. Sie pflegt den Social-Media-Kanal des Teams, unterstützt den Jugendbereich, kümmert sich um Sponsorinnen und Sponsoren und hat sogar die gemeinnützige Organisation #GuardiansGoAhead gegründet, die für verschiedene soziale Zwecke Spenden sammelt. Der Handball durchzieht ihr Leben wie ein roter Faden – auch, wenn dieser Faden in den letzten Jahren immer wieder zu reißen drohte.
Denn Svenjas Karriere erzählt auch eine andere Geschichte: die von vier schweren Verletzungen in drei Jahren. Für viele Spielerinnen und Spieler des Vollkontaktsports leider keine Seltenheit. Mittelhandbruch, Sehnenabrisse an Finger und Knie, Spiralfraktur eines Fingers. Diagnosen, die für Svenja mit ihrem Hauptjob Physiotherapie besonders bitter sind – schließlich sind ihre Hände ihr Arbeitswerkzeug. Was die Ärztinnen und Ärzte ihr an Bewegungseinschränkungen prophezeit hatten, bedrohte ein Stück weit ihre Existenz. Doch aufgeben? Für Svenja keine Option.
Wen nimmt sich eine Profi-Handballerin eigentlich zum Vorbild? Madita Kohorst, Torhüterin in der Bundesliga, verrät es uns.
Schock beim Auswärtsspiel
Rückblick in den September 2025 nach Buxtehude. Es ist das erste Auswärtsspiel nach dem Aufstieg in die dritte Liga, zwei Minuten vor Schluss. Svenja erhält ein Anspiel im Angriff, als eine Gegenspielerin ihr unglücklich ins Knie fällt. Sie liegt am Boden, hält sich das Knie. Es wird still. „In so einem Moment ist die ganze Halle ruhig“, erinnert sich ihre Teamkollegin Maya Janßen. „Wir waren als Team unendlich geschockt.“ Der erste Gedanke: Kreuzbandriss. Eine gefürchtete Diagnose im Handball, die Karrieren beenden kann. Mindestens neun Monate Ausfall, Operation, Reha. Für Svenja wäre es nach drei schweren Handverletzungen nicht nur ein weiterer Rückschlag gewesen, sondern das Schlimmste, was passieren hätte können.
Trotz des ersten Saisonsieges fiel die Freude des Teams verhalten aus. Auf der Busfahrt zurück herrschte getrübte Stimmung, bei einigen flossen Tränen. Ausgerechnet Svenja war es dann, die den anderen Mut machte. „Trotz ihres eigenen Schocks war sie es, die uns tröstete und ermutigte, positiv zu bleiben und erst einmal die Diagnose abzuwarten“, erzählt Maya Janßen.
Immer da, auch auf der Bank
Die Tage bis zum MRT zogen sich. Auch erste ärztliche Einschätzungen bestätigten den Verdacht auf Kreuzband- oder Innenbandriss. Dann, endlich: Entwarnung. „Nur“ ein Patellasehnenanriss. Glück im Unglück. Keine Operation nötig, konservative Behandlung. Die Ärzte prophezeiten dennoch mindestens sechs bis acht Wochen Pause. Schon wieder.
Natürlich beschäftigten Svenja Gedanken wie „Warum ich? Und warum schon wieder?“ oder „Was mache ich falsch?“. Nach jeder Verletzung werden diese Fragen lauter. Es wird von Mal zu Mal schwieriger, emotional herausfordernder – nicht zuletzt wegen ihrer Liebe zum Sport, zum Verein, zum Team. Diese Leidenszeit können sicher nur Sportlerinnen und Sportler nachempfinden, die das selbst schon einmal erlebt haben. Doch wer Svenja kennt, weiß: Sie lässt sich nicht unterkriegen, auch nicht nach so vielen Rückschlägen. Noch immer hat sie ein starkes Comeback hingelegt, kam noch stärker und früher als gedacht wieder zurück. Nur ein Beispiel von vielen: Ihre Auszeichnung zur Torschützinkönigin in der Regionalliga Saison 24/25, obwohl sie nach einer Verletzungspause einen Monat später als alle anderen einstieg.
Und das kommt nicht von ungefähr: Svenja ist trotz Verletzung in jeder Trainingseinheit in der Halle und versucht, Positivität auszustrahlen und das Team zu unterstützen. Sie nimmt ihre Rolle der Kapitänin auch dann ernst, wenn sie nicht mit auf dem Spielfeld stehen kann. „Sie ist trotz ihrer Verletzung immer dabei und versucht uns alle zu pushen und zu motivieren“, sagt Mia Mehrtens. Und: Sie gibt bei der Rehabilitation alles, ackert täglich mehrere Stunden, wie das Team berichtet. Als Physiotherapeutin weiß sie genau, was zu tun ist. Jeder kleine Fortschritt – weniger Schwellung, mehr Beweglichkeit – wurde zum Anker. Und Social Media zu einer neuen Plattform. Svenja konnte ihre Erfahrungen teilen und ihren Ballast ein Stück weit loswerden. Die Resonanz war überwältigend, die Sichtbarkeit für das Thema „Verletzungen im Sport und mentale Gesundheit“ wurde zum zusätzlichen Antrieb.
Und nicht nur Svenja war während ihrer Verletzungszeit fürs Team da, sondern auch umgekehrt: Mit selbstgeschriebenen Motivationssprüchen auf ihren Schuhen und selbstgebastelten „Comebackstronger“-Armbändern versuchten die Mitspielerinnen, sie aufzufangen. Das Einlaufkind Lia aus der F-Jugend, Svenjas treuester Fan, hielt beim nächsten Spiel ihr Trikot hoch. „In der Anfangsphase der Verletzung war es für Svenja unglaublich wichtig, Menschen um sich zu haben und sich auch mal auf andere Gedanken zu bringen. Später hat Svenja super ehrgeizig und zielstrebig an ihrem Comeback gearbeitet – das ist das, was sie auszeichnet“, sagt Jette Dudda.
Die mentale Stärke, die man für so eine Verletzungsbiographie an den Tag legen muss, lässt sich als außenstehende Person nur schwer erahnen. „Ich glaube, ich spreche fürs Team, wenn ich sage, dass wir keine mental stärkere Person kennen“, sagt Maya Janßen. „Sie wird nicht müde, für das zu kämpfen, was sie liebt: den Verein, unser Team und diesen Sport.“
Karriereende nicht in Sicht
Im Oktober 2025 ist es dann soweit: Zeit für ein Comeback! Ein Derby gegen den VfL Oldenburg. Nur 4,5 Wochen nach der Verletzung. Als Physiotherapeutin hätte Svenja vermutlich jedem nur davon abgeraten, nach dieser kurzen Zeit wieder aktiv aufs Spielfeld zurückzukehren. Doch sie überraschte nicht nur ihre Mitspielerinnen und die Fans, sondern auch den Gegner: sieben Tore beim Comeback, davon vier Siebenmeter. Das Spiel wurde zwar 29:35 verloren, aber Svenja war zurück! „Sie lässt sich eben von keiner Verletzung aufhalten – steht schneller wieder auf, als man gucken kann“, sagt Thea Hülsmann.
Derzeit bekommt Svenja noch Physiotherapie, arbeitet daran, ihr Knie wieder an Abbruchbewegungen zu gewöhnen, zu alter Geschwindigkeit zurückzukommen. Ihr Ziel ist klar: Selbst verletzungsfrei bleiben, zu alter Stärke finden und gemeinsam mit dem Team die 3. Liga halten. Für nächste Saison hat sie bereits verlängert – ihr zehntes Jahr beim SFN Vechta. Ein Karriereende ist keine Option. „Sie lässt sich nicht aufhalten, kämpft sich durch alle Hindernisse und spielt weiter mutig auf“, fasst es Maya Janßen zusammen.
Denn ihr Team braucht sie – nicht nur für ihr technisches Können, sondern vor allem auch auf menschlicher Ebene. „Svenja ist auf jeden Fall eine inspirierende Persönlichkeit, da sie immer alles gibt“, sagt Jette Dudda. „Sie ist ehrgeizig, zielstrebig und möchte vor allem immer das Beste für ihre Mitmenschen.“ Das Team freut sich schon auf viele weitere Highlights mit ihr – wie der Aufstieg in die 3. Liga vergangene Saison. Erst Meister der Regionalliga, dann die Relegation gewonnen. Ein Erfolg, der unglaublich zusammenschweißt. Aber auch die gemeinsamen Team-Abende mit Harry-Potter-Motto (Svenjas Lieblingscharakter), Weihnachtsfeiern, bei denen Svenja grundsätzlich als Letzte nach Hause geht, oder die Mannschaftsfahrt nach Mallorca, bei der Svenja ihre Wettschulden einlöste und sich ein kleines Krokodil aufs Fußgelenk tätowieren ließ – gezeichnet von Mannschaftskollegin Leonie „Schnacki“ Schreiber, sinnbildlich für einen Derbysieg gegen Garrel.
Eins ist klar: So schnell verabschiedet sich Svenja nicht aus dem Handball. Sie steht immer wieder auf. Nicht, weil es einfach ist, sondern weil sie liebt, was sie tut. Weil Handball für sie mehr ist als Sport. Weil sie ein starkes Umfeld hat, das sie trägt. Und weil sie eine Kämpferin ist – auf der Platte und daneben.
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