„Kunst ist ein Werkzeug, um die Welt genau anzuschauen und sich im Schaffensprozess anzueignen.“

Ilka Meyer
Eine Person mit kurzen hellbraunen Haaren und einer runden Brille, die ein schwarzes Oberteil trägt, lächelt vor einem schlichten hellen Hintergrund sanft in die Kamera.

Das ehrliche Dutzend

„Menschen sind seltsame Ameisen“

Die Künstlerin Ilka Meyer wurde 1972 in Bremen geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Vechta. Zwischen diesen norddeutschen Stationen liegen Förderstipendien und Lehrtätigkeiten in Mainz, Leipzig und Berlin sowie eine rasante Karriere im internationalen Kunstbetrieb.

  1. Liebe Frau Meyer, wie wird man eigentlich Künstlerin?

    Die Kunst ist ein Werkzeug, um sich die Welt sehr genau anzuschauen und sie sich im Schaffensprozess bedeutungsgebend anzueignen. Das heißt, die Welt sehen zu lernen und Visionen zu entwickeln – das hat einen gewissen Suchtfaktor. Man kann mittels der Kunst die eigenen gefühlten Begrenzungen zu einem Tanz einladen. Grenzen haben mich immer geärgert.

  2. Ihre Kunst ist spektakulär, teilweise raumfüllend, manchmal haushoch. Wie entstand das Denken in diesen Dimensionen?

    Es ist die Faszination an flüchtigen und alltäglichen Dingen, die beim näheren Betrachten immer besonders sind und utopischen Gehalt haben. Diese kleinen Dinge kann man so groß werden lassen, dass sie den Menschen wie eine Wolke umfassen oder ihnen zum Beispiel den Weg versperren.

  3. Ihr Weg führte Sie u.a. nach Berlin, heute leben Sie in Vechta. Worin liegt der Reiz des Kleinen?

    Das Kleine und das Große sind manchmal gar nicht so unterschiedlich. Sie sind im jeweils anderen enthalten. Aber der Reiz liegt auch darin, dass es der Wohnort meiner Familie ist und dann ist da noch die Weite des Moores. Durch diese Landschaft streife ich gerne mit unserem Hund Charlie.

  4. Was von hier sollten sich die Metropolen abgucken?

    Gut ist zum Beispiel: Ohne weite Wege schnell in der Natur zu sein und kurze Wege zu Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern zu haben – jeder kennt hier gefühlt jeden.

  5. Und welche Eigenschaften von dort könnten dem Oldenburger Land guttun?

    Ich würde gerne auch hier auf mein Fahrrad steigen und wie in Berlin durch verschiedene Welten fahren. Diversität zuzulassen ist immer ein gutes, fortwährendes Projekt!

  6. Sie feierten schon als junge Künstlerin Erfolge auf internationaler Bühne. Wie fühlte sich das für Sie an?

    Ich erinnere mich an ein freies Leben, das an jeder Ecke Überraschungen und viele tolle Begegnungen bereithielt … und an besetzte Häuser und geplatzte Kohleöfen.

  7. Wer in der Kunstszene berühmt ist, wird deswegen noch lange nicht auf der Straße erkannt. Vorteil oder Nachteil?

    Auf jeden Fall ein Vorteil. Deswegen wäre mir für dieses Interview die Abbildung eines Werkes noch lieber gewesen als ein Portrait. Für mich steht immer zuerst die Kunst, dann vielleicht ein Gesicht.

  8. Schon mit 26 Jahren waren Sie Lehrbeauftragte, inzwischen unterrichten Sie am Gymnasium. Warum ist Ihnen das wichtig?

    Das Unterrichten an der Schule schenkt unmittelbare Begegnungen. Manchmal begleiten mich Schülerinnen und Schüler über viele Jahre. Das ist etwas sehr Schönes.

  9. Was vermitteln Sie den jungen Menschen?

    Wenn es gut läuft meine Begeisterung und eine Idee davon, dass die Kunst ein Zuhause bieten kann. Wenn es halb gut läuft, schult es das analytische Denken sowie wie die Fähigkeit, Zusammenhänge zu schaffen.

  10. In Ihren Werken benutzen Sie immer wieder natürliche Materialien. Warum?

    Pflanzen haben für mich etwas sehr Utopisches und Wegweisendes. Für mich sind sie die Basis von Projektionen. Fortpflanzen, anpflanzen, weiterpflanzen ist ständiges Entwickeln und Behaupten.

  11. Welche Inspirationen bietet Ihnen die Region?

    Die Ambivalenz des ruhig glucksenden Moores zu den Massen an Gütern, die hier produziert und durch die Gegend transportiert werden. Der Mensch ist eine seltsame Ameise.

  12. Wenn Sie einfach mal träumen dürften: Welches Projekt würden Sie im Oldenburger Land gerne umsetzen?

    Es gibt einige nicht realisierte Arbeiten, die in meinen Notizbüchern schlafen … Eine Arbeit heißt zum Beispiel „Götterteilchen“, eine raumgroße Installation aus Schwarz-Weiß-Kopien. Es gibt einige Ideen im Zusammenhang mit dem Moor, unter anderem mit Torf. Auch diese Arbeit könnte groß werden.

Einen Eindruck von der Kunst Ilka Meyers vermittelt die nachstehende Collage. Sie zeigt ausgewählte Gemälde und Installationen, darunter das Werk „Haushoch“ (Berlin, 2007):

Zwei Personen sitzen sich auf hohen Holzplattformen in einem grasbewachsenen Feld gegenüber, unter einem blauen Himmel mit vereinzelten Wolken. Im Hintergrund erstrecken sich Ackerland und Bäume.
Große, mit Erde und Pflanzen gefüllte Stoffsäcke stehen in einer Ecke einer geräumigen, modernen Galerie mit hohen Decken und sichtbaren Balken; im Hintergrund sind Besucher zu sehen, die Kunstwerke betrachten.
Ein dicker Baumstamm mit rauer, strukturierter Rinde steht inmitten einer verschneiten Landschaft, mit abstrakten, kahlen Ästen und gedämpften Grün- und Grautönen im Hintergrund.
Abstraktes Gemälde mit vertikalen weißen und hellblauen Säulen, die sich auf einer ruhigen Wasseroberfläche spiegeln, mit einem blassen Himmel, in dem sich sanftes Blau, Gelb und ein Hauch von Grau im Hintergrund mischen. Die Gesamtstimmung ist heiter und kühl.

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