Über Hürden hinwegbewegen

3. Februar 2022
© von Mende Marketing GmbH

Wheelchair-Longboarding oder -Skating, Para-Surfing oder -Skydiving zeigen: Mit einer Behinderung sportlich aktiv zu sein, dem sind heutzutage so gut wie keine Grenzen gesetzt. Über 50 Sportarten hat der Deutsche Behindertensportverband gelistet. Viele werden auch in der Region angeboten.

Darunter Rollstuhlbasketball. Der gummihallige Aufprall des Balls, der enthusiastische Ausruf „Kooorb!“ und dazwischen das klassische Quietschen des Hallenbodens, in diesem Fall nicht von Turnschuhsohlen, sondern von Reifen – was die Geräuschkulisse angeht, unterscheidet er sich kaum von der Variante ohne Rollstuhl. Und noch etwas ist gleich: „Wie auch in anderen Sportarten hat jeder Mensch seinen eigenen Spielstil, ob mit oder ohne Behinderung“, betont Frank Fauerbach, Erster Vorsitzender des RSC Oldenburg.

„Das Spiel hat mich so begeistert, dass ich es auch ausprobiert habe.“

Der Verein wurde 1974 als erster selbstständiger Rollstuhlsportverein Niedersachsens von 15 Sportlern gegründet. Heute zählt er bereits über 100 Mitglieder, die auch in Badminton, Tanzen oder Tischtennis aktiv sind. Fauerbach selbst spielt seit seiner Jugend. „Ich bin mit einem guten Freund aufgewachsen, der von Geburt an auf den Rollstuhl angewiesen ist und früh mit Basketball angefangen hat“, erzählt der 32-Jährige, der mit seiner minimalen Behinderung im Alltag keinen Rollstuhl benötigt. „Das Spiel hat mich so begeistert, dass ich es auch ausprobiert habe.“ Der größte Reiz liege für ihn vor allem darin, sich mit dem Gegner ein Kopf-an-Kopf-Duell zu liefern und den Ehrgeiz der Teammitglieder zu spüren.

Sich herauszufordern und mit anderen zu messen, gehört auch im Behindertensport dazu. In der Region bieten sich unter anderem mit dem Sportivationstag (siehe Seite 9) und dem „Sportfest ohne Limits“ verschiedene Gelegenheiten. Initiiert hat Letzteres vor über 20 Jahren die Brettorfer Familie eines Mädchens mit Behinderung.

Auch beim Behindertensport ist ein wichtiger Bestandteil, sich mit anderen zu messen. Und die Auszeichnung dafür.

Die bis zu 200 Teilnehmer mit Handicap überwinden einen Parcours mit Aufgaben wie Büchsenschießen, Balancieren oder Skateboard-Paddeln. Und erhalten am Schluss eine Urkunde. „Bei der Ehrung schallt schon mal ein Jubelschrei über die Sportanlage, die Teilnehmer sind mit sehr viel Ehrgeiz dabei“, weiß Helmut Koletzek, Erster Vorsitzender des TV Brettorf.

Für die Gestaltung des Fests hat der Verein sogar den Inklusionspreis des Landkreises Oldenburg erhalten. „Das war für uns eine schöne Anerkennung“, so Koletzek.

Gemeinsam etwas – wortwörtlich – zu bewegen, über körperliche Limitierungen hinweg, empfinden Veranstalter wie Spieler als Bereicherung. So auch Jana Tran, Trainerin der inklusiven Fußballmannschaft des VfL Wittekind. Derzeit besteht sie aus zehn Personen mit und ohne Gehbehinderung im Alter von 13 bis 47 Jahren, die sich jeden Freitagabend in Wildeshausen zum Training, aber auch zu Freundschaftsspielen und Turnieren treffen. „Wir versuchen, die Teilnehmer in faire Mannschaften einzuteilen“, erzählt die 23-Jährige. Es seien aber ohnehin alle rücksichtsvoll und hätten einfach Spaß am gemeinsamen Sport.

„Das Gemeinschaftsgefühl ist extrem motivierend“, bestätigt auch Rollstuhlbasketballer Fauerbach und ergänzt: „Deswegen kann ich nur allen Menschen mit Behinderung ans Herz legen, sich trotz der alltäglichen Hürden sportlich zu betätigen. Wir freuen uns über jeden Nachwuchs!“

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Zutaten


Zubereitung


„SPORT IST SO VIELFÄLTIG WIE WIR.“

Sport war schon immer ein sehr großer Bestandteil meines Lebens. Wenn ich genauer darüber nachdenke, betrachte ich ihn sogar als meinen persönlichen Lebensretter. Er schaffte neue Perspektiven, als mein weiterer Berufsweg durch eine schwere Verletzung infrage stand, und eine Form der körperlichen und geistigen Zufriedenheit.

Sport verbindet und setzt Zeichen. Er ermöglicht Teilhabe, gemeinschaftliche Erfahrungen, eine Steigerung des Selbstwertgefühls. Auch der Umgang mit Sieg und Niederlage ist wesentliches Merkmal. Und zwar für alle Menschen. Egal, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Sport ist so vielfältig wie wir.



© BSN, Bargiel

Tim Focken war Berufssoldat, bis er im Afghanistan-Krieg 2010 schwer an der linken Schulter verwundet wurde. Seitdem lebt er mit einer Oberarm- Plexuslähmung und arbeitet als Spitzensportler bei der Bundeswehr. Der 37-Jährige ist Mitglied des SV Etzhorn und war Teil des deutschen Teams bei den Paralympics 2021 in Tokio in der Disziplin Sportschießen.


 

Anke Marien, seit 2020 Integrationsbeauftragte des Kreissportbunds Oldenburg-Land, © privat

Weil niemand unfehlbar ist

3 Fragen an Anke Marien

  1. Frau Marien, was ist Ihre Aufgabe als Inklusionsbeauftragte?
    Ich bin an der Entwicklung von Ideen beteiligt, wie Vereine behinderte und nicht behinderte Menschen dazu bringen, gemeinsam Sport zu machen. Dabei versuchen wir auch immer, Letztgenannte miteinzubeziehen. Das langfristige Ziel besteht darin, dass sie gleichberechtigt an den Leistungen des Sports teilnehmen können.
  2. Was hat Sie zu diesem Ehrenamt veranlasst?
    Bei Begegnungen mit Menschen mit Behinderung hat mich beeindruckt, dass Perfektion für sie keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Diese Haltung passt zu meiner Philosophie: Niemand sollte sich für unfehlbar halten. Vielmehr hat jeder von uns eine mehr oder weniger starke Beeinträchtigung.
  3. Worin liegt die Bedeutung von inklusivem Sport für die Gesellschaft?
    Dass er dabei helfen kann, die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung positiv zu beeinflussen. Durch die gemeinsame Aktivität erleben Sportler ohne Beeinträchtigung, dass Anderssein normal ist, und tragen diese Erfahrung in die Gesellschaft.

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