Nur das Tabu ist tabu

Wie FragLovis Sexualbildung digitalisiert

13. Januar 2023

©FragLovis

Das Leben ist voller Fragen. Zu einer bestimmten Zeit türmen sie sich geradezu auf, nämlich in der Jugend. In dieser Phase dreht sich (fast) alles um die eigene Entwicklung, erste Beziehungen oder das erste Mal. Aber an wen wendet man sich damit – den Freundeskreis? Die Eltern? Dr. Sommer? Drei junge Unternehmerinnen aus Oldenburg bieten nun eine neue Option: Die Website und App „FragLovis“ antwortet fachlich, vertraulich, verständlich – und vollständig digital.


In der Start-up-Branche gibt es immer wieder Ideen, die so einfach sind wie genial. FragLovis ist eine von ihnen. Das Portal widmet sich einem intimen – und damit sensiblen – Lebensbereich, der mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Wer erinnert sich nicht an die eigene Pubertät, an all die (Selbst-)Zweifel, Unsicherheiten und Enttäuschungen? Wie wertvoll wäre es gewesen, wenn man jemanden hätte fragen können zu Beziehung und Sexualität – jederzeit, ohne Scham, vollkommen anonym?

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FragLovis ermöglicht genau das. Während ihres BWL-Studiums an der Carl von Ossietzky Universität haben die jungen Gründerinnen Antonia Böttinger (29), Sarah Holzenkamp (29) und Jana Pyrek (28) (siehe Titelbild v.l.n.r.) die Idee entwickelt – genauer gesagt beim Social Innovation Camp der Innovativen Hochschule Jade-Oldenburg (IHJO). Aus dem Nichts haben sie danach ein Unternehmen aufgebaut, das Hightech mit Pädagogik und Kommunikation verzahnt. „Eine superkomplexe Angelegenheit“, blickt Chef-Strategin Antonia zurück. „Aber wir sind froh, diesen Schritt getan zu haben.“ Zu Recht: Denn ausgerechnet digitale Technologie schafft den nötigen Schutzraum, um Bedürfnisse zu artikulieren, die ansonsten meist tabu sind.

Der Bot als Berater

Und wie funktioniert die Online-Aufklärung? „Kern unseres Angebots ist ein Chatbot“, erklärt Antonia, die auch in Bangalore (Indien) und Siena (Italien) studiert hat. „Nach und nach wird er alle denkbaren Fragen rund um das Thema ‚Sex Education‘ beantworten können. Dabei spricht er die Sprache der Zielgruppe.“ Das heißt: Der Algorithmus verfügt über das fachliche Know-how, verpackt es aber so, dass die jungen Nutzer:innen zwischen 12 und 19 Jahren es auch gerne lesen. Gleiches gilt für die integrierte Wissensplattform.

„Das persönliche Gespräch mit einer Vertrauensperson bleibt wichtig.“
Jana Pyrek

Neben dem Fachwissen braucht es dafür große Expertise in Sachen künstliche Intelligenz, aber auch viel Gespür für Design und Sprache. „Man kann das Thema nicht betriebswirtschaftlich denken, nicht technisch und nicht pädagogisch. Man muss alles miteinander kombinieren“, erklärt Antonia die Herausforderung. Daher ist das FragLovis-Team innerhalb kurzer Zeit bereits auf zwölf Mitglieder angewachsen – von der Sexualpädagogin bis zum Kommunikationsdesigner.

Auffällig: Es handelt sich fast ausschließlich um Frauen. Ist das eigentlich noch die Ausnahme in der Tech-Branche? „Ja, allerdings“, berichtet Finanzexpertin Sarah. Weibliche Tech-Start-ups seien nach wie vor extrem selten. Deshalb sieht sich das Führungstrio auch als Botschafterinnen: „Wir wollen auch ein Vorbild sein und zeigen: Seht her, es geht!“

Gemeinnützige Gründerinnen

Ungewöhnlich ist bei FragLovis aber noch mehr. Den Gründerinnen geht es nicht um schnelles Wachstum und große Umsätze, so wie es bei Start-ups normalerweise üblich ist. Ganz im Gegenteil: das Unternehmen firmiert als LOVIS gGmbH, es ist also gemeinnützig. Diesen Ansatz bezeichnet man als Social Entrepreneurship, also als Unternehmertum mit gesellschaftlicher Ausrichtung. „Im Fokus steht bei uns nicht der Gewinn“, erklärt Antonia. „Wir wollen unser Angebot ausbauen und unser Team vernünftig bezahlen. Das ist uns am wichtigsten.“ Tatsächlich ist das ungewöhnlich für ein junges Start-up – ungewöhnlich verantwortungsvoll.

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Ähnlicher Ansicht war man offenbar auch beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Beide Häuser unterstützen FragLovis mit mehrjährigen Förderprogrammen. Welches Unternehmen kann das schon von sich behaupten – nur wenige Monate nach der Gründung?

Wird FragLovis die Aufklärung nun völlig verändern? Das ist nicht ausgemacht, aber auch nicht nötig. „Wir wollen nichts ersetzen. Das persönliche Gespräch mit einer Vertrauensperson bleibt wichtig“, betont Kommunikations-Spezialistin Jana. „Wir sind aber fest davon überzeugt, dass diese zusätzliche Option für viele junge Menschen wichtig ist, weil sie keine Warte- oder Öffnungszeiten hat.“ Tatsächlich spricht viel dafür, denn das Leben ist – und bleibt – voller Fragen. Auf der Suche nach Antworten gibt es für Jugendliche künftig einen guten Tipp: FragLovis.

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# Sie fragen sich, wer Lovis ist? Es handelt sich dabei um keine reale Person, sondern den „Sex Ed Chatbot“. Wichtig war den drei Gründerinnen ein Name, der kein Geschlecht ausschließt. Lovis war von Beginn an in der engeren Auswahl. Da der Name zudem – zumindest beinahe – „Love is“ abbildet, war die Entscheidung schnell getroffen.

# Das Angebot von FragLovis befindet sich derzeit in der Beta-Phase. Das bedeutet, dass es ständig weiterentwickelt wird, bevor die finale Version im kommenden Jahr online geht. Die Seite können Sie unter www.fraglovis.de aber schon jetzt besuchen und den Chatbot oder das „Sexikon“ ausprobieren.

# Besonders spannend für das FragLovis-Team ist übrigens die Altersgruppe zwischen 12 und 19 Jahren. Um Fragen und Antworten optimal aufeinander abzustimmen, sollten möglichst viele Nutzer:innen aus dieser Gruppe den Bot testen. Alle Interessierten melden sich per Direktnachricht auf Instagram oder schreiben eine Mail. Sagen Sie das gern weiter!

# Warum berichtet *1786 schon jetzt über FragLovis, bevor das Angebot endgültig finalisiert ist? Weil die LzO voll hinter den jungen Gründerinnen von FragLovis steht. Sie möchte nicht erst auf die Schulter klopfen, wenn es jeder tut, sondern in dieser frühen Phase ein klares Zeichen setzen: Innovative Ideen und LzO passen zusammen! Weil auch Pionierinnen und Pioniere Nähe brauchen.

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