Interview mit dem Träger der Niedersächsischen Rettungsmedaille Oliver Kähler

„Erstmal nur Blech“

7. April 2025

Oliver Kaehler von der DLRG in Butjadingen vor einem Einsatzfahrzeug

©DLRG Butjadingen

Als er mit seinem Kameraden Kai Bahlmann einen älteren Mann vor dem Ertrinken rettete, war DLRG-Bootsführer Oliver Kähler gerade einmal 21 Jahre alt. Für diesen Einsatz brachten sich beide selbst in Lebensgefahr – und wurden dafür mit der Niedersächsischen Rettungsmedaille ausgezeichnet. Was Kähler diese Ehrung bedeutet und warum nicht sie ihn zum Vorbild macht, sondern etwas ganz anderes, erzählt der Butjadinger im Interview.


Herr Kähler, können Sie zu Beginn einmal den Moment beschreiben, in dem Sie zum Lebensretter wurden?

In der Nacht vom 29. Oktober 2017 tobte in Butjadingen Orkan „Herward“ mit Windböen von bis zu 120 Kilometern pro Stunde. Er hat das Wasser an die Uferkante gedrückt, wo zwei Ortsfremde gerade Urlaub mit ihrem Camper gemacht haben. Das Problem war, dass sie sich im sogenannten Deichvorland befanden – hier ist eine Art Kessel entstanden, in den von hinten und vorne Wasser drängte. Die Urlauber waren fasziniert vom Sturm und haben zu spät bemerkt, dass ihr Fluchtweg längst abgeschnitten war.

Als dann über die 112 der Notruf beim DLRG Butjadingen einging, musste ihr Standort erst einmal über die Handy-Ortung ausfindig gemacht werden. Es war sehr dunkel in dieser Nacht. Wir sind mit einem ganzen Team angerückt. Auf das Zeichen der Einsatzleitung hin bin ich als Bootsführer mit dem Wasserretter Kai Bahlmann rausgefahren. Den ersten „Angriff“, wie wir das nennen, mussten wir abbrechen und ein anderes Boot organisieren – unseres kam nicht gegen die Wellen an. Mit dem zweiten hat es dann geklappt.

 

Konnten Sie beide Urlauber retten?

Zu einem von ihnen sind wir vorgedrungen. Er hatte sich über Stunden an einem Pfahl festgehalten und ließ sich dann ins Boot ziehen. Der Freund konnte bedauerlicherweise nur noch tot geborgen werden.

©DLRG Butjadingen

Wie erklären Sie sich Ihren Mut, das Risiko solcher Extrembedingungen für andere einzugehen?

Mit Vertrauen: in unsere Erfahrung, in die professionelle Ausstattung und vor allem in das Team. Deswegen war ich überzeugt, dass dieser Einsatz machbar ist.

 

Wie wichtig ist der Teamgeist bei einer solchen Rettungsaktion?

Ich würde sagen entscheidend! Das zeigt die oben beschriebene Situation sehr gut: Als Kai Bahlmann und ich uns den Weg durch die tosenden Wassermassen gebahnt haben, war es so laut, dass wir uns nicht hören konnten. Aber: Wir haben uns blind verstanden.

Ohne dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und sich aufeinander verlassen können, kann eine solche Rettungsaktion nicht gelingen. Deswegen ist mir auch wichtig zu betonen: Wir tragen die Niedersächsische Rettungsmedaille stellvertretend für alle Rettungsschwimmer.

Wann haben Sie erfahren, dass Ihnen der Niedersächsische Innenminister die Rettungsmedaille verleihen wird?

Überraschend kurzfristig. Am Vormittag wurden wir von der Nordwest-Zeitung zum „Butjadinger des Jahres“ gekürt, abends bei der Jahreshauptversammlung des DLRG Butjadingen dann mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet. Erst kurz vorher hieß es, dass unsere Eltern anwesend sein sollten. Da haben wir etwas geahnt.

 

Welche Gefühle gingen damit einher?

Ich habe im Nachgang viel über das nachgedacht, was passiert ist. Dabei spielt Dankbarkeit eine große Rolle. Kai Bahlmann und ich legen keinen besonderen Wert darauf, die Rettungsmedaille zu tragen – sie ist erstmal nur Blech, das lediglich eine einzelne gelungene Rettungsaktion hervorhebt.

Wichtig sind vor allem zwei Dinge: das Bewusstsein dafür, was für ein tolles Team wir haben, mit dem wir Derartiges vollbringen und Menschenleben retten können. Und dass mit der Medaille ein gesamtgesellschaftliches Signal gesendet wird. Es sollte gesehen werden, wie wertvoll die Arbeit des DLRG für die Gesellschaft ist. Nicht nur bei Rettungsaktionen, sondern insgesamt für die Sicherheit an unseren Küsten.

Wenn es nicht die Rettungsaktion per se ist: Was macht Sie dann stolz – und auch zum Vorbild?

Blicke ich zurück auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit, dann ist es vor allem mein Durchhaltevermögen. Also die Fähigkeit, sich und auch andere über lange Zeit hinweg zu motivieren. Denn die ersten Jahre im Verein sind ja der reinen Schwimmausbildung gewidmet, die man für Rettungseinsätze braucht. Das ist insbesondere für neue und jüngere DLRG-Mitglieder ganz schön fordernd.

Hier als gutes Beispiel vorangehen zu können und dafür positives Feedback zu bekommen, ehrt mich und lässt mich ein Stück weit als Vorbild fühlen.

 

Vielen Dank!

©DLRG Butjadingen

Oliver Kähler

ist seit 2005 Mitglied im DLRG Butjadingen. Dort nahm er zunächst an der Schwimmausbildung teil und absolvierte Abzeichen bis zum Rettungsschwimmer sowie Praktika an Wasserrettungsstationen. Nachdem Kähler mit 16 Jahren bereits den Bootsführerschein gemacht hatte, folgte zwei Jahre später der spezielle DLRG-Bootsführerschein. Als Bootführer war der 28-Jährige bereits an vielen Rettungsaktionen beteiligt und leitet heute selbst Einsätze.

Der studierte Fachwirt für Maschinenbau und Elektrotechnik hat in seiner Kindheit direkt am Deich gewohnt und so schon immer viel Zeit im und am Wasser verbracht. So lernte er das Element früh lieben, aber auch respektieren.

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