„Egal, was es wird… ich bleibe hier!“

Im Gespräch mit Tahsim Durgun
Raus aus der Schublade
Als Kind kurdisch-yezidischer Eltern in Oldenburg aufzuwachsen, das prägt zwangsläufig. Den Spagat zwischen den beiden Kulturen thematisiert der 29-jährige Tahsim Durgun unter anderem auf Social Media und in seinem Buch „Mama, bitte lern Deutsch“ (erschienen März 2025) – und nutzt scharfsinnige Comedy als Vehikel für seinen Aktivismus.
- Du bist u. a. Bestseller-Autor, Comedian, Social-Media-Star und Funk-Host – wie würdest du deine Tätigkeit in einem Satz beschreiben? Eigentlich: Lehramtsstudent, der durch dubiose Zufälle in eine Branche abgedriftet ist, in der er als kreativer Kopf für alles fungieren kann.
- Warst du denn schon als Kind kritisch und humorvoll? Humor war immer ein Begleiter seit frühster Kindheit – in der ganzen Familie. Kritisches Denken zu gesellschaftlichen Missständen nicht; ich war kein überreifes Jimmy-Neutron-Kind mit überdurchschnittlichen ausgeprägten Synapsen im Hirn.
- Normalerweise bist du es, der die Leute zum Nachdenken anregt und zum Lachen bringt. Wer erfüllt diese Rolle für dich? Die Biografien meiner Eltern und allgemein Menschen, die ihre authentischen Stories erzählen. Ich höre mir gerne Laster und Errungenschaften aus anderen Welten an.
- Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, wieviel Sprache mit Zugehörigkeit zu tun hat? Ich bin an einem Ort groß geworden, der von vielen Sprachen geprägt war – da habe ich schon früh entdeckt, wie mächtig und auch kategorisierend Sprache sein kann.
- In welchen Situationen spürst du heute noch, dass du zwischen zwei Welten lebst? Wenn ich mich in sehr weiß geprägten Kulissen bewege und es darum geht, dialogisch in den Austauch zu gehen. Das funktioniert dann nicht so reibungslos.
- Was bedeutet Heimat für dich? Ist es ein Ort, ein bestimmtes Gefühl, die Menschen um dich herum oder etwas anderes? Familie. Familie ist Heimat.
- Gab es eine bestimmte Begegnung, die dein Denken über Identität und Integration für immer verändert hat? Meine Erfahrungen bei der Ausländerbehörde haben mir gezeigt, dass Integration, wie sie oftmals in den Medien vorgelebt wurde, ein skurriles und unwirkliches Konzept ist. Egal wie viel wir tun, ich kriege trotzdem nicht den deutschen Pass? Wenn ihr Integration wollt, dann lasst mich doch auch hier ankommen.
- Du bist bis heute Oldenburg treu geblieben. Was ist für dich typisch für die Stadt – im positiven und im seltsamsten Sinne? Wenn diese grün und gelb angestrichenen Lärmschutzwände auf der Autobahn auftauchen, weiß ich, dass ich wieder in Oldenburg bin. Seltsam … weil ich sie in dieser Form sonst noch nirgendwo anders gesehen habe.
- Bald steht die fünfte Jahreszeit wieder vor der Tür – sieht man dich auf einer Kohltour? So sehr liebe ich Oldenburg dann doch nicht… die Kohlzeit hat mich irgendwie nie so richtig abgeholt.
- Was ist ein Satz, den du nie wieder hören möchtest – und einer, den du nie vergisst? Wie läuft dein Studium? Nie vergessen: Der Çay spült die Last deiner Seele weg. [Anm. d. Red.: Çay ist türkischer schwarzer Tee]
- Wie häufig wirst du auf der Straße erkannt? Vermisst du es, dich anonym in der Öffentlichkeit bewegen zu können? Ach, ich nehme das gar nicht so wild auf, ich freue mich über alle Begegnungen. Die Menschen sind immer sehr nett.
- Hast du einen alternativen Lebenstraum? z.B. einen anderen Beruf, ein bestimmtes Projekt oder das Leben in einem anderen Land? Wenn alle Stricke reißen, werde ich vielleicht doch Lehrer an einer tollen Schule in Oldenburg. Egal, was es wird… ich bleibe hier!
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