„Plattdeutsch in den Medien – da hat sich einiges getan.“

Prof. Dr. Doreen Brandt, Expertin für niederdeutsche Literatur
Plattdeutsch als Sprache der Region
Vor Jahrhunderten entstanden und noch heute verbindend: Plattdeutsch ist fest in der Region verwurzelt. Für Prof. Dr. Doreen Brandt, Expertin für niederdeutsche Literatur, gehört die Sprache seit frühester Kindheit zu ihrem Leben. Sie verrät uns, wie Plattdeutsch entstand, wo es in Medien sowie Alltag seinen Platz hat und wie wir es uns bewahren können.
Frau Prof. Dr. Brandt, wie kamen Sie dazu, sich beruflich mit Plattdeutsch zu beschäftigen?
Meine Großeltern kommen aus einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern und haben ganz selbstverständlich Plattdeutsch gesprochen. Das war für mich normal. Als ich mit dem Germanistik-Studium in Rostock begonnen habe, habe ich neben vielen anderen auch die Romane von Fritz Reuter gelesen – nicht, weil es niederdeutsche Literatur ist, sondern weil Reuter aus meiner Sicht zum Kanon der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts gehört. Und auch später hatte ich immer wieder mit niederdeutscher Literatur zu tun und wollte mein Interesse daran vertiefen.
Lassen Sie uns einen kurzen Ausflug in die Vergangenheit machen: Wie entstand Plattdeutsch? Und warum stößt man dabei auch auf den Begriff „Niederdeutsch“?
Niederdeutsch bezeichnet verschiedene sogenannte Varietäten einer Sprache, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. „Plattdeutsch“ dagegen bezieht sich als Begriff ausschließlich auf die neuniederdeutsche Sprache.
Aber von Anfang an: Niederdeutsch zählt wie Hochdeutsch sprachhistorisch zu den westgermanischen Sprachen. Das Hochdeutsche hat vom siebten bis neunten Jahrhundert eine gewisse Sonderentwicklung genommen, sodass wir heute zum Beispiel „Apfel“, „Zeit“ und „machen“ sagen, im Niederdeutschen aber „Appel“, „Tiet“ und „maken“. Etwas vereinfacht können wir hier den Beginn der niederdeutschen Sprachgeschichte ansetzen. Seitdem hat sich die Sprache kontinuierlich verändert – von Altsächsisch oder Altniederdeutsch bis 1100 über Mittelniederdeutsch (ca. 1200 bis 1650) bis hin zur neuniederdeutschen Sprache von 1650 bis in die Gegenwart. Der Begriff „Plattdeutsch“ bezieht sich ausschließlich auf diese neuniederdeutsche Sprache und setzte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts als Bezeichnung dafür durch.
Besonders bedeutend wurde die Sprache ab dem 13. Jahrhundert, unter anderem als Schriftsprache im Bereich der Rechtsprechung – davon gibt es heute noch Zeugnisse, die u. a. auch in der Landesbibliothek Oldenburg aufbewahrt werden, wie eine Handschrift des Sachsenspiegels von Eike von Repgow aus dem 14. Jahrhundert. Und Niederdeutsch diente auch zur Verständigung in Handel und Verkehr.
„Ein Schlüssel liegt in der stärkeren Verankerung von Sprachbegegnung und Sprachvermittlung in der Schule.“
Das Oldenburger Land hat Plattdeutsch nicht allein für sich gepachtet. Wo wird noch Platt gesprochen und schnackt jemand aus Bremen anders als ein Oldenburger?
Der niederdeutsche Sprachraum umfasst die Bundesländern Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Hinzu kommen Brandenburg, der nördliche Teil von Sachsen-Anhalt, das nördliche Nordrhein-Westfalen und schließlich der Norden von Hessen. In diesem Sprachraum zählt der Nordwesten Niedersachsens (und damit das Oldenburger Land) sicherlich zu den Regionen, in denen auch heute noch viele Menschen Plattdeutsch sprechen.
Das eine Plattdeutsch gibt es nicht, sondern verschiedene regionale Varietäten. Deshalb spricht jemand aus Bremen tatsächlich ein anderes Plattdeutsch als jemand aus Oldenburg.
Plattdeutsch gilt als „vom Aussterben bedroht“ – ist da was dran? Und wenn ja, woran liegt das?
Ja, Umfragen belegen, dass die Anzahl der Menschen, die Plattdeutsch sprechen, tatsächlich rückläufig ist. Die Sprache ist insofern bedroht, als dass sie nicht mehr selbstverständlich in der Familie als Erst- oder Zweitsprache weitergegeben wird. Plattdeutsch oder Niederdeutsch zählt als Regionalsprache zu den Sprachen, die im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen als kulturelles Erbe Europas geschützt und gefördert werden. Und damit hängt sicherlich zusammen, dass sich die Aufmerksamkeit für die Sprache in Politik und Gesellschaft sowie in Bildungsinstitutionen und auch in den Medien seitdem erhöht hat.
Niederdeutsch spielt aber zum Beispiel in vielen Schulen noch eine wichtige Rolle im Schulalltag. Und darin liegt auch ein Schlüssel, um dem rückläufigen Trend entgegenzuwirken: eine stärkere Verankerung von Sprachbegegnung und Sprachvermittlung in der Schule. Die Schüler und Schülerinnen haben unter anderem in AGs oder im Wahlpflichtbereich die Möglichkeit, Plattdeutsch zu lernen. In den letzten Jahren sind dafür auch Lehrwerke entstanden. Und wir bilden an der Universität Oldenburg Lehrkräfte für das Unterrichtsfach Niederdeutsch aus.
Wie sieht die Medienlandschaft rund um Platt aus? Hat die Sprache auch ihren Platz in der Popkultur?
Es gibt eine ganze Menge Podcasts auf und über Niederdeutsch, insbesondere im Bereich Unterhaltung oder Nachrichten, zum Beispeil vom Norddeutschen Rundfunk. Zum Thema Musik fallen mir sofort die beiden plattdeutschen Musikfestivals Plattsounds und Plattbeats ein. Und in den sozialen Netzwerken hat Plattdeutsch unter anderem bei dem Fernsehmoderator Yared Dibaba und dem Schauspieler Richard Christian Bauer einen festen Platz. Ziemlich bekannt sind auch die Inhalte der „Plattfluencerin“ Lisa Wrogemann auf Instagram, Youtube und Co.
Ich würde sagen, hier hat sich in den letzten Jahren eine Menge getan und das Engagement in diesen Medienbereichen ist für eine positive Sprachwahrnehmung nicht zu unterschätzen. Wenn es um den Bereich Kultur und Medien geht, darf man aber natürlich auch nicht die Literatur, das Theater und das Hörspiel vergessen. Auch diese Genres zeigen, was künstlerisch und ästhetisch mit der plattdeutschen Sprache möglich ist.
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