In Situationen, die derart ausweglos erscheinen, verlieren manche Menschen den Mut. Nicht Eduard Dajek. Hinter der schmalen Statur des jungen Mannes verbirgt sich eine unverwüstliche Willensstärke. Und ein zuverlässiges Gespür dafür, welche Richtung es im entscheidenden Moment einzuschlagen gilt. Als damals das hoffnungslos überladene Schlauchboot im Meer trieb, war er der Einzige, der navigieren konnte. „Es gab kein Internet – ich habe uns mit Offline-Karten auf dem Handy durch die Dunkelheit geleitet“, beschreibt er die Überfahrt. So uneitel, dass es fast nüchtern wirkt – Eduard Dajek ist kein Mensch, der nach Beifall heischt.
Wie schon auf der Flucht entschied er sich dafür, den Schritt zu wagen und für sein Ziel zu kämpfen. In diesem Fall seine berufliche Zukunft. „Ich habe mich bei allen Unternehmen beworben, in deren Namen das Wort ‚Bank‘ auch nur annähernd vorkam“, lacht er, wenn er daran zurückdenkt. Zunächst sah es nicht gut aus. Manche Absage erreichte ihn bereits kurz nach dem Absenden der Bewerbung.
Mit einer Ausnahme: Die LzO zeigte Interesse. „Beim Online-Formular gab es ein freies Feld, darin hatte ich nur um eins gebeten: eine Chance“, schildert Dajek. Die bekam er und hat sie genutzt. Nach einem Praktikum wurde ihm die Teilnahme an einem dreimonatigen Trainee-Programm angeboten – ein Wendepunkt. Noch heute ist er davon berührt: „Ich konnte es kaum glauben!“ Im Anschluss wurde er als Quereinsteiger unter Vertrag genommen und absolvierte parallel zum Job den Qualifizierungslehrgang zum Sparkassen-Kaufmann, den er Anfang 2020 erfolgreich abschloss.
Zugefallen sind ihm seine Karriereschritte nicht. Eduard Dajek hat sein Versprechen eingelöst, alles zu geben. Jeden Tag aufs Neue. Zu Beginn pendelte er über ein halbes Jahr lang täglich vier Stunden zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg, lernte in jeder freien Minute und musste sich zusätzlich die deutsche Alltags- und Finanzsprache aneignen. „Ich weiß das Vertrauen und die Unterstützung sehr zu schätzen“, betont Eduard Dajek. „Die LzO hat mir nicht nur die Möglichkeit gegeben, einen beruflichen Einstieg zu finden. Sie hat mir auch den Rahmen geboten, mich immer weiterzuentwickeln.“
Das zahlt sich aus: Der 30-Jährige war 2019 der erfolgreichste Privatkundenberater von den 13 durch die LBS betreuten Sparkassen im Nordwesten. Wenn Eduard Dajek über seinen Aufgabenbereich spricht, wird die Wärme in seinen Augen zu einem Funkeln: „Ich brenne für den Vertrieb!“, sagt er von sich selbst. Und lernt bereits wieder – per Fernstudium strebt er den Abschluss zum Sparkassen-Fachwirt an.
Bei aller Dankbarkeit und Leistungsbereitschaft sollte jedoch klar sein: Nicht nur Geflüchtete profitieren durch eine berufliche Integration, sondern auch ihre Arbeitgeber. Eduard Dajek etwa spricht neben Deutsch noch drei weitere Sprachen: Englisch, Arabisch und Armenisch. So kann die LzO das Beratungsangebot für Menschen aus anderen Kultur- und Sprachkreisen niedrigschwelliger gestalten und sich neue Kundenkreise erschließen. Das oft bereits vorhandene Fachwissen ermöglicht es ihr, den Mitarbeiter schneller aufsteigen zu lassen und gezielter einzusetzen. Nicht zuletzt bereichert sie mit Diversität ihre Teams.
Eduard Dajek denkt selten an seine Heimat Syrien und das, was er dort zurückgelassen hat. „Der Blick zurück hilft mir nicht, deswegen setze ich alles auf die Zukunft.“ Und die sieht er in Deutschland, privat wie beruflich. Hier hat er seine Freundin geheiratet, wohnt mit ihr in Oldenburg, hier will er weiter beruflich wachsen. „Ich kann mich kaum bremsen“, sagt er – nicht ohne Augenzwinkern – über sich selbst. Die Voraussetzung: eine Chance dazu.