„Ein Problem, das die Inflation verursacht, ist soziale Ungleichheit.“
Was kann denn die Regierung oder die EZB tun, damit sich etwas ändert? Welche Werkzeuge stehen zur Verfügung?
Die EZB müsste jetzt weiter die Zinsen erhöhen und die Liquidität etwas verknappen, so dass der Euro an Wert gewinnt und nicht mehr so viel Geld im Umlauf ist. Dabei wird sie aber vorsichtig bleiben wollen. Denn gleichzeitig steht das Wirtschaftswachstum auf der Kippe und die EZB will auch vermeiden, dass es eine tiefe Rezession gibt.
Die Politik kann versuchen, Preise zu beeinflussen, indem sie Alternativen eröffnet. Sie könnte die Preise auch ein Stück weit subventionieren oder zusätzliches Einkommen an diejenigen geben, die besonders betroffen sind. Gas aus anderen Quellen zu beziehen und die Erneuerbaren Energien verstärkt auszubauen ist ein weiterer Ansatz. Beide wirken allerdings nicht über Nacht.
Es spricht also einiges dafür, dass die hohen Raten uns noch eine Weile begleiten? Schließlich ist die Energie ein erheblicher Faktor bei der Inflation.
Den politischen Faktor können wir nicht seriös einschätzen. Entscheidet Russland morgen, sich zurückzuziehen, dann werden die Energiepreise natürlich zurückgehen. Auf die Inflationsniveaus, die wir vorher hatten – sagen wir: um ein Prozent –, werden wir aber dennoch nicht kommen, weil wir immer noch die Geldmenge und die Zinsen haben.
„Selbst wenn wir den Angriff Russlands außer Acht lassen, werden wir über Jahre Inflationsraten von drei oder vier Prozent haben.“
Dazu kommt, dass die aktuelle Lage zu einer starken Fragmentierung der Weltwirtschaft führt. Die Globalisierung, die über viele Jahre zu niedrigen Preisen geführt hat, ist erstmal gestoppt und zum Teil sogar umgekehrt. Das heißt, wir werden über viele Jahre hinweg statt eines entlastenden einen belastenden Effekt sehen. Auch wenn wir den russischen Angriff ausblenden, werden wir über Jahre Inflationsraten von drei oder vier Prozent sehen.
Wie ist die Situation für die Verbraucher:innen?
Wenn wir konkret auf Deutschland blicken, dann gibt es zwei Perspektiven. Dass alles sehr teuer wird, trifft uns natürlich. Aber: Im globalen Vergleich sind wir eigentlich in einer guten Situation. Immerhin haben wir zuletzt knapp die Hälfte unseres Stroms aus Erneuerbaren Energien erzeugt und die Abhängigkeit von russischem Gas somit deutlich reduziert. Da wir gerade einen Arbeitskräftemangel haben, müssen wir außerdem keine Massenarbeitslosigkeit fürchten. Das stellt sich in anderen Ländern ganz anders dar, zumal dort das soziale Netz fehlt, welches in Deutschland vorhanden ist.
„Was wir im Alltag tun können?
Weniger verbrauchen, teure durch billigere Produkte ersetzen und günstiger einkaufen.“
Was kann jeder Einzelne tun, um sich mit der Inflation zu arrangieren?
Ganz klassisch: weniger verbrauchen. Das betrifft besonders die Energie, weil sie so teuer geworden ist. Also: Sie sollten weniger heizen, Auto fahren und reisen. Je weniger wir alle verbrauchen, desto geringer ist gleichzeitig die Nachfrage – dadurch gehen die Preise runter. Die Substitution ist die zweite Möglichkeit, also ein teureres Produkt durch ein billigeres zu ersetzen, etwa Butter durch Margarine, Sonnenblumenöl durch Rapsöl. Die dritte Möglichkeit ist, günstiger einzukaufen. Das heißt, Sie gehen zum Discounter und achten verstärkt auf Sonderangebote.
Dennoch bleibt es dabei, dass eine schnelle Lösung nicht in Sicht scheint. Hand aufs Herz: Macht Ihnen der Beruf angesichts dieser Ausgangslage überhaupt noch Spaß?
Ich versuche immer, das Positive zu sehen. Zum Beispiel: Man hat erkannt, dass die Finanzströme – also wer in was investiert – riesigen Einfluss haben. Plötzlich stellt man fest, dass der Finanzsektor an einer Stellschraube sitzt und vieles beeinflussen kann. Damit könnte dem Finanzsektor also eine nachhaltige und gestalterische Kraft zukommen. Deshalb kann ich jetzt auch sagen: Ja, die Zeiten sind herausfordernd, aber auch interessant.
Und: Hohe Preise können eine Lenkungswirkung haben. Die Leute fahren jetzt beispielsweise weniger oder langsamer Auto und verbrauchen so weniger. Ohne steigende Energiepreise würde der Verbrauch nicht sinken. Auch das finde ich sehr positiv.
Herr Prof. Janßen, vielen Dank für das Gespräch!