„Klinikclown zu sein, ist eine Haltung!“

29. Juli 2021
Carlotta und Nino © Klinikclowns NordWest

Klopfen. Köpfe im Türrahmen, lockenumspielt und rotnasig. Dann die entscheidende Frage: „Dürfen wir reinkommen?“ Beantwortet wird sie mit einem neugierigen „jaaa!“ von einem sechsjährigen Patienten, der aufrecht in seinem Krankenbett sitzend und mit leuchtenden Augen kaum erwarten kann, was gleich passieren wird.

Um es vorwegzunehmen: so einiges! Denn den Raum betreten zwei Klinikclowns: Carlotta und Marylin. Sie sind ausgestattet mit einem Requisitenkoffer, Humor, Improvisationstalent und viel Gespür für die Stimmung ihrer Zuschauer. Ist das Kind offen und aufgeweckt wie der kleine Knirps? Dann kommen die „Clown-Kracher“, also klassische Slapstick-Techniken, zum Einsatz. Gerade rennt Carlotta – unter belustigten Warnrufen des Jungen – zum dritten Mal gegen die Wand. Ist es dagegen zurückhaltend oder gar ängstlich? Dann schlagen die Klinikclowns leisere Töne an, mit sachter Musik und Seifenblasen. „So versuchen wir, die innere Tür zu öffnen“, beschreibt es Andrea Voermann, Gründerin der Klinikclowns NordWest.

Marylin und Carlotta © Klinikclowns NordWest

Zutaten


Zubereitung


Sie hat sich an der „TuT-Schule für Tanz, Clown und Theater“ in Hannover zur Clownin und Klinikclownin ausbilden lassen. Als die Arbeit der Klinikclowns in den USA und Österreich zunehmend Aufmerksamkeit erhielt, war für Voermann klar: „Das will ich für Oldenburg auch!“ Sie nahm Kontakt auf mit dem Elisabeth-Kinderkrankenhaus, stellte Konzept und Vorteile für Patienten und Klinik vor. Der wichtigste: Lachen aktiviert erwiesenermaßen Selbstheilungskräfte. Voermann stieß auf offene Ohren und hatte im Jahr 2000 ihren ersten Auftritt als „Carlotta“. Seitdem sind weitere Clowns dazu gestoßen und manche – teils nach langjähriger Zusammenarbeit – ausgeschieden. Derzeit besteht das Team aus sechs Clowns*, jeder fachlich ausgebildet und mit eigenem Charakter.

Lilly und Marylin © Klinikclowns NordWest

Statt unter dem Zirkuszelt spielen sie in Kinderkrankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen im Nordwesten und ihre Bühne ist das Zimmer. Im Fokus steht dabei immer sein Bewohner, nicht der Clown – „der wesentliche Unterschied zum Zirkusclown“, weiß Andrea Voermann. Und es gibt weitere Abweichungen: So findet zu jedem Patienten ein Übergabegespräch mit dem Personal statt. Um welches Krankheitsbild handelt es sich und welche Fettnäpfchen sollten vermieden werden? Aber auch: Hat der Patient ein bestimmtes Interesse und lässt es sich eventuell als Thema aufgreifen?

Carlos und Carlotta © Klinikclowns NordWest

Was Zirkusclowns ebenso wenig kennen dürften: Manchmal ist der Auftritt der Klinikclowns nicht gewünscht. Oder die Stimmung kippt binnen Sekunden, weil eine Szene ungute Gefühle auslöst. Carlotta und ihr Team können damit umgehen. „Wir wollen in alle Richtungen berühren, auch Wut ist total okay!“, betont Voermann. Zu berühren ist der Kern ihrer Arbeit – Kinder lachen, bis sie sich beinahe in die Hose machen; Eltern kommen die Tränen, weil ihr schwerkrankes Kind auf der Intensivstation einmal eine ganz andere Art der Zuwendung erfährt; Senioren summen lächelnd die Töne aus der Ukulele mit.

Und auch die Klinikclowns sind oft bewegt. Ein Moment ist Andrea Voermann besonders im Gedächtnis geblieben: „Dass Klinikclowns ein bisschen bescheuert aussehen, gehört zum Programm“, erzählt sie. Das konnte eine Palliativpatientin im Teenager-Alter aber nicht hinnehmen – sie habe sich irgendwann beschwert: „Ich kann nicht gehen, wenn du weiterhin so scheiße aussiehst!“ Daraufhin gab es Gelächter und ein „Hand drauf!“ von Carlotta, an ihrem Äußeren zu arbeiten.

 

Lilly und Carlotta © Klinikclowns NordWest

Dass die Klinikclowns die Brücke sind zwischen dem, was mal war – dem Spielen und der Leichtigkeit – und wieder sein wird, gilt also nicht für jeden Patienten. Abschiede gehören zum Beruf dazu. Aber eben auch das Gefühl, dass durch ihr Spiel sowohl vor den Augen des Zuschauers als auch in seinem Inneren etwas passiert. Andrea Voermann bringt es auf den Punkt: „Klinikclown zu sein, ist eben nicht nur ein Job – es ist eine Haltung!“

 

* Momentan aktiv sind: Carlotta (Andrea Voermann), Marylin (Nina Pohovski), Lilly (Silke Mühlstedt-Janßen), Carlos (Thorsten Frank), Nino (Armin Huwald) und Polly (Margreth Klünemann).

 

  • An welchen Orten treten die Klinikclowns auf? In Oldenburg, Aurich, Leer, Wilhelmshaven und Rastede.
  • Wie lange dauert ein Auftritt? In der Regel drei bis 15 Minuten.
  • Haben Klinikclowns Leitlinien, nach denen sie handeln? Ja, es gibt den sogenannten „Clownscodex“. In dem steht zum Beispiel: „Der Clown möchte erreichen, dass Humor, Lebensfreude und Phantasie das Wohlbefinden der Kinder bzw. Bewohner verbessern.“
  • Gibt es ein Auswahlverfahren, bevor man sich zu den „Klinikclowns NordWest“ zählen darf? Ja, darauf legt Andrea Voermann großen Wert. Bewerber absolvieren bei ihr ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Unter anderem begleiten sie zunächst erfahrene Klinikclowns, bevor sie selbst zum ersten Mal probeweise spielen.

 

Mehr zu den Klinikclowns NordWest erfahren Sie unter:
www.klinikclowns-nordwest.de

 

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