Als Frau am Theater

Meine Stärke: Entwicklungsfähigkeit

22. Dezember 2023

Mathilda Kochan Theaterregisseurin

©Bonnie Bartusch

Die Theaterbühne ist ein Ort der Kontraste: Manche Bereiche sind strahlend hell ausgeleuchtet, andere liegen dauerhaft im Schatten. Das Prinzip ließ sich lange auch auf die Rolle der Frauen übertragen. Weibliche Stars wurden gefeiert, hinter den Kulissen waren die Strukturen eher patriarchalisch. Was es braucht, um sich als Frau in der Welt der „großen Zampanos“ durchzusetzen, weiß Mathilda Kochan. Die 37-Jährige hat nach viereinhalb Jahren als Regieassistentin am Oldenburgischen Staatstheater die Leitung des Theaters k in Oldenburg übernommen.


Nein, eine Diva ist Mathilda Kochan nicht. Doch wenn sie einen Raum betritt, verändert sich etwas: Gespräche pausieren, Köpfe drehen sich. In ihren Bewegungen zeichnet sich eine sublime Theatralik ab, die – zwar dezent, aber dennoch deutlich – ihre Theaterherkunft preisgibt.

Nach Oldenburg kam die gebürtige Warschauerin als Regieassistentin für die Inszenierung von „Der Ring des Nibelungen“, dem vierteiligen Monumentalwerk Richard Wagners. „Ursprünglich habe ich Operngesang studiert“, blickt sie zurück. „Als Beruf war es aber nicht das Richtige. Ich fand die gestalterische Seite einfach interessanter.“ Mit dem Wechsel ins Regiefach hatte Kochan wenig Schwierigkeiten: „Man trägt immer Prototypen eines anderen Ich in sich“, ist sie überzeugt. „Sie sind nicht perfekt, aber man kann sie entwickeln und sehen, was daraus wird.“ Mit dieser Haltung mache sie sich stark, denn so bleibe sie nicht auf eine bestimmte Rolle reduziert.

Nebenrolle fürs Geschlecht

Allerdings machte diese Entscheidung sie zu einer Ausnahme, denn 70 Prozent aller Regisseure sind männlich. Auswirkungen dieses Ungleichgewichts seien im Alltag durchaus spürbar: „Ich nehme mich gar nicht konstant als Frau wahr“, beschreibt Kochan ihr Selbstbild. „Doch man bekommt immer wieder gespiegelt, dass man eine ist.“ Das sei in verschiedenen Konstellationen der Fall: Männer in Führungspositionen begrüßten einander anders, es gebe eine Art „Bro-Kultur“. Bei Frauen werde das informelle Du aus anderen Gründen verwendet, nämlich weil eine hochrangige Funktion nicht vermutet wird. Und auch am Theater gibt es den Klassiker der Besprechungsrunden, wie Kochan berichtet: „Eine Frau sagt etwas und wird überhört. Ein Mann wiederholt dasselbe und erntet den Applaus.“

 

„Ich nehme mich gar nicht konstant als Frau wahr – bis ich gespiegelt bekomme, dass ich eine bin.“
Mathilda Kochan, Theaterregisseurin und Leiterin des Theaters k

Von ihrer eigenen Linie lässt sich Mathilda Kochan trotzdem nicht abbringen. „Ich agiere definitiv anders als manche männliche Regiekollegen“, ist sie sich bewusst. Es gebe tatsächlich noch Zampanos, die zum Probebeginn halbstündige Monologe zur eigenen Biografie hielten und das Ensemble damit bereits ermüdeten. Solche Revierkämpfe seien ihr jedoch ebenso fremd wie die Herabwürdigung von Akteurinnen und Akteuren. „Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind ‚unser Material‘. Mich interessiert, wie sie ihre Rollen sehen.“ Es bringe ihr viel mehr, ihnen die Gründe für ihre Anweisungen zu erklären, als bedingungslosen Gehorsam zu verlangen.

©Staatstheater Oldenburg

Idealerweise solle das Geschlecht sowieso keine große Rolle spielen, findet Kochan. „Letztlich geht es doch darum, was man zu sagen hat“, ist sie überzeugt. „Ist das relevant, sollte es egal sein, ob es von Mann, Frau oder Katze kommt.“ Die Haltung pflegt sie auch bei ihren vielen anderen Aktivitäten: als Mitgründerin des freien Theaterkollektivs „Die Loge“, als Vorsitzende der kulturellen Bürgerbeteiligung „Creative Mass“ sowie als beratendes Mitglied im Kulturausschuss der Stadt Oldenburg.

Engagement hoch, Gehalt niedrig

Wer wie Mathilda Kochan am Theater arbeitet, muss sich der Tatsache bewusst sein, dass Engagements in der Regel befristet sind. Und nicht immer gut bezahlt. Auch wenn Geld beim Beruf keine übergeordnete Rolle spielen muss, sondern die kreativ-künstlerische Erfüllung im Vordergrund stehen kann: Selbst für finanzielle Sicherheit zu sorgen, ist in dieser Situation wesentlich. Insbesondere für Künstlerinnen und Künstler, deren Gehaltsniveau grundsätzlich eher niedrig ist. Denn auch sie möchten im Alter ausreichend versorgt sein. Die gute Nachricht: Auch mit kleineren Geldbeträgen lässt sich fürs Alter vorsorgen und/oder Geld anlegen.

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Besonders bezahlt macht sich ein Einsatz, wie ihn Mathilda Kochan für die Bereicherung des Kulturangebots zeigt, finanziell nicht. Das Gehaltsniveau in der Theaterbranche ist tendenziell niedrig, die Engagements befristet. Wer viel Sicherheit brauche, der sei hier nicht gut aufgehoben, weiß Mathilda Kochan. „Ich habe kürzlich meinen Rentenbescheid bekommen – und sehr gelacht“, kommentiert Kochan die schwierige finanzielle Situation vieler Künstlerinnen und Künstler mit Humor. Sie wisse durchaus, dass sie sich um Altersvorsorge kümmern müsse, sei bisher aber noch nicht aktiv geworden.

©Staatstheater Oldenburg

Es sind durchaus weibliche Stärken, die Mathilda Kochan in ihre Arbeit einbringt. Nicht bewusst vielleicht, aber dennoch mit dem gewünschten Erfolg: Ihre Arbeit beim Ring-Zyklus wurde so sehr geschätzt, dass sie bei der Wiederaufnahme die verantwortliche Regisseurin wurde und daneben auch eigene Stücke inszenieren konnte. Das allerdings in einer Gastrolle, denn am 1. Januar 2023 war es Zeit für einen neuen Prototyp: Kochan übernahm die Leitung des Theaters k, das an die Oldenburger Kulturetage angedockt ist. Die Intendantin gehört zu einer noch selteneren Spezies als die Regisseurin: Nur jedes fünfte Theater in Deutschland wird von einer Frau geleitet.

 

„Vorbehalte hätte es bei einem Mann
vielleicht auch gegeben.“
Mathilda Kochan, Theaterregisseurin und Leiterin des Theaters k

 

„Natürlich gab es bei einigen Mitarbeitern gewisse Vorbehalte“, ist sich Kochan bewusst, doch sie nimmt das nicht persönlich: „Das wäre bei einem Mann vielleicht genauso gewesen.“ Vielmehr freue sie sich trotz etlicher Herausforderungen auf ihre neue Aufgabe.  „Es ist eine Heidenarbeit“, erzählt sie. „Aber es macht riesigen Spaß!“ Kochan bleibt auch hier ihrer Linie treu und macht vieles anders als ihr Vorgänger. „Ich möchte Experimente wagen, die Bürger:innen einladen mitzumachen, Theater ein Stück weit neu denken.“ Diese Offenheit für Neues ist zwar keine ausschließlich weibliche Haltung, man kann sich jedoch vorstellen, dass bei der Vermittlung der Ideen eben jene Stärken helfen werden, die sie von vielen Männern unterscheidet.

Diva? Nein, Ausnahmeerscheinung!

Kein Zweifel: Mathilda Kochan ist mit Leib und Seele Theaterfrau. Sie mag keine Diva sein und auch nicht mehr auf der Bühne stehen, weder im Schatten, noch im Licht. Die Köpfe werden sich aber dennoch drehen, wenn sie einen Raum betritt – denn als Regisseurin und Intendantin ist sie weiterhin eine Ausnahmeerscheinung.

©Staatstheater Oldenburg, Stephan Walzl

Am Oldenburgischen Staatstheater arbeitete Mathilda Kochan unter der Leitung des Generalintendanten Christian Firmbach. Der ist überzeugt: „Jeder Mensch ist anders und macht auch den Job des Regisseurs anders – egal, ob männlich oder weiblich.“ Dennoch gebe es bei der Gleichberechtigung durchaus etwas aufzuholen: „Frauen müssen in allem deutlich besser sein, um sich gegen männliche Mitbewerber durchzusetzen. Das ist leider immer noch so“, konstatiert der Theatermacher. Sie seien häufig eher zurückhaltend, während Männer deutlich selbstbewusster auftreten würden, selbst wenn gar nicht viel dahinter stecke. „Dadurch haben es Regisseurinnen tendenziell schon schwerer, sich durchzusetzen.“ Das gelte aber auch für andere künstlerische Berufe wie dem Dirigieren. In den Arbeitsweisen sehe er hingegen keine großen geschlechterspezifischen Unterschiede: „Es gibt auch unter den Frauen ‚Hardlinerinnen‘ mit Hang zur Tyrannei – und auf der anderen Seite kommunikative, emotionale und empathische Männer.“

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