Von Kindesbeinen an
Besonders stark prägen Vorbilder in der Kindheit. In der Sozialforschung spricht man von „Modellen“, die Kindern zeigen, wie das Leben funktioniert. Das sind in erster Linie die Eltern, aber auch andere nahestehende Personen wie Erzieher oder Lehrerinnen. Sie machen vor, die Kleinen eifern nach. Ganz automatisch, ganz unbewusst und unreflektiert. Mehr noch: Sie sind soziale Interaktionspartnerinnen und -partner, die die Persönlichkeit des Kindes widerspiegeln und ihm zeigen, wer es ist und wie andere es sehen.
Noch mehr als das, was die Vorbilder bewusst durch Erklärungen und Ermahnungen vermitteln wollen, prägt ihre indirekte Erziehung, also ihr Handeln. Prof. Dr. Margit Stein, Professorin am Lehrstuhl Allgemeine Pädagogik an der Universität Vechta, bringt es auf den Punkt: „Taten zählen mehr als Worte. Wenn die Eltern Ehrlichkeit predigen, aber sich zum Beispiel bei der Fahrscheinkontrolle einen Rabatt ermogeln wollen, der ihnen gar nicht zusteht, bleibt das beim Kind hängen.“
Dass sich Kinder auch später noch bei diversen Lebensthemen wie der Studien- oder Berufswahl an den Eltern orientieren, ist mittlerweile belegt.3 „Selbst wenn andere Quellen wie Berufsberaterinnen und Berufsberater eigentlich kompetenter wären“, ergänzt Stein.
Anziehend: Disziplin, Talent und Haltung
In der Pubertät werden die ersten Vorbilder, die Eltern, auf den Prüfstand gestellt. Während wir uns von ihnen abgrenzen und die eigene Identität suchen, brauchen wir neue Orientierung und damit neue Vorbilder. In dieser Phase ist die Anfälligkeit für „falsche Ideale“ besonders groß; also Identifikationsfiguren, die eigentlich nicht guttun und im Zweifel sogar zu ungesundem Verhalten wie Drogenkonsum oder Essstörungen verleiten. Gerade Social-Media-Kanäle, auf denen Jugendlichen ihren Vorbildern besonders nah sind, bieten hier Potenzial für schlechten Einfluss – und der wird oft erst später bemerkt.
Wie wichtig Vorbilder im Jugendalter sind, belegt die Sinus-Jugendstudie 2024 „Wie ticken Jugendliche?“. Darin geht das Sinus-Institut Fragen zur Lebensrealität von Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren nach: Was bewegt sie im Alltag, was sind ihre Werte und wie nehmen sie gesellschaftliche Themen wahr? 72 Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Milieus teilten ihre Sichtweisen in Interviews, Untersuchungen und Hausarbeiten.
Die Erkenntnisse zum Thema Vorbilder: Neun von zehn Befragten hatten mindestens ein Vorbild. Interessant hierbei ist, dass neben den eigenen Familienmitgliedern, insbesondere der Mutter, vor allem Persönlichkeiten aus den Bereichen Sport und Entertainment inspirierten. Während die männlichen Befragten ausschließlich männliche Spitzensportler wie Cristiano Ronaldo oder Mike Tyson nannten, variierten bei den weiblichen Befragten Geschlecht und Beruf der Vorbilder. Sie führten etwa Sängerinnen und Sänger wie Harry Styles oder Nura sowie Schauspielerinnen und Schauspieler, darunter Marylin Monroe und Taissa Farmiga, an.
Was die Jugendlichen jeweils besonders an diesen Menschen bewundern? Im Familienkreis nehmen sie sich vor allem ein Beispiel an sozialen Kompetenzen wie Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Humor, aber auch an mentaler Stärke. Bei prominenten Vorbildern ist es dagegen eher das Mindset: dass sie an ihrem Weg festhalten und durch Disziplin und Talent Erfolg haben. Ebenso Ansehen bei Jugendlichen finden Menschen, die ihrer Zeit voraus sind und zum Beispiel aktiv gegen Geschlechterklischees vorgehen.2