Das ehrliche Dutzend
7. Januar 2022
Dr. Thomas Reiter © ESA
Im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Reiter
Dr. Thomas Reiter (63) gehört zu Europas prominentesten Raumfahrern. Er verbrachte insgesamt 350 Tage im All. Unsere Fragen beantwortete er jedoch in seiner Wahlheimat Wahnbek bei Oldenburg.
- Zu den Stationen Ihres Lebens gehörten Frankfurt, München, Mir und ISS. Was führte Sie ins Oldenburger Land?
Das war meine Stationierung beim Jagdbombergeschwader 43 auf dem Oldenburger Fliegerhorst im Herbst 1984. - Was hat das Ammerland, was das Weltall nicht hat?
Meine Frau und Kinder und unser Zuhause. Ansonsten gibt es hier alles, was man sich so wünscht: tolle Landschaft, liebe Freunde und Nachbarn. - Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Region?
Den Rhododendronpark in Gristede und den Schlosspark in Rastede. - Was haben Sie gedacht, als Sie die Erde erstmals von oben gesehen haben?
Was für ein wunderschöner Ort, der in der Unendlichkeit des Weltraums seine Bahnen um unsere Sonne zieht. - Auf Raumstationen klappt internationale Zusammenarbeit besser als auf der Erde. Haben Sie einen Tipp für Regierungschefs?
Die großen Probleme lassen sich nur lösen, wenn alle an einem Strang ziehen. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Vielleicht hilft ja der Blick von „außen“. - Welche Alltäglichkeit haben Sie während Ihrer „All-Tage“ am meisten vermisst?
In den ersten Monaten nichts. Nach einiger Zeit sehnt man sich aber nach Natur, frisch zubereitetem Essen und natürlich Familie und Freunden. - Erfindungen aus der Raumfahrt schaffen es immer wieder in unseren Alltag. Was hätten Sie gern mit runtergenommen?
Die internationale Zusammenarbeit. Tatsache ist, dass unser Alltag schon viel mehr von der Raumfahrt profitiert, als es den meisten Menschen bewusst ist. - Früher kümmerten sich Staaten um Raumfahrt, heute Milliardäre. Ist das eine Banalisierung – oder eine Chance?
Eine Chance: Musk, Bezos und Branson haben mit eigenem Kapital neue Trägerraketen entwickelt, die die Transportkosten massiv senken können. - In Oldenburg gibt es eine Zweigstelle des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt. Kann unsere Region mitmischen?
Definitiv! Hier gibt es viele kluge Köpfe, die z.B. neue Anwendungen für Satellitendaten- und neue Raumfahrttechnologien entwickeln. - Sie halten viele Vorträge. Ist es Ihnen wichtig, Ihr Wissen weiterzugeben?
Ja, denn es freut mich immer wieder, wie groß das Interesse an der Raumfahrt, den Erfahrungen meiner beiden Missionen zu Mir und ISS ist. Junge Menschen für MINT-Themen zu begeistern, ist mir ein besonderes Anliegen. - Was können wir Erdlinge von der Raumfahrt lernen?
Das Bewusstsein für die Einzigartigkeit des „Raumschiffs Erde“, es zu erhalten, und die Begeisterung für die Geheimnisse, die jenseits der Grenzen unserer Atmosphäre auf uns warten. - Ein Blick ins Jahr 2500. Wo leben Ihre Nachfahren: Ammerland oder Mars?
Ich hoffe, sie leben dann immer noch auf der Erde, und das Ammerland ist da eine exzellente Wahl! Es wäre allerdings toll, wenn man dann zu anderen Planeten reisen könnte. Unser Zuhause ist und bleibt aber dieser wunderschöne blaue Planet.