Im Gespräch mit Yared Dibaba: Fest auf zwei Stühlen


Yared Dibaba wurde 1969 in Oromia, Äthiopien, geboren, wuchs später aber im Landkreis Oldenburg auf. Damals waren Unterschiede eine Herausforderung, heute begreift der Moderator und Entertainer sie als inspirierend. Diese Offenheit macht ihn zu einem Mann mit vielen Heimaten.

 

 

©Annika Fußwinkel
  1. Als Zehnjähriger kamen Sie aus Äthiopien nach Falkenberg bei Ganderkesee. Können Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke erinnern?
    Es war der 18. Juni 1979. Wir sind am Nachmittag angekommen – von der Millionenstadt Nairobi in ein kleines, ruhiges Dörfchen. Das war schon ein krasser Gegensatz! Das Schöne war, dass es an diesem Tag überhaupt nicht dunkel zu werden schien. In Nairobi geht die Sonne um 18 Uhr sehr schnell unter. Mein Bruder und ich dachten: Solange es noch hell ist, kann es noch nicht 18 Uhr sein! Dass es im norddeutschen Sommer erst Stunden später dunkel wird, hat uns niemand erzählt – und so waren wir ziemlich lange unterwegs. Unsere Eltern haben sich große Sorgen gemacht und waren schon kurz davor, die Polizei anzurufen. Aber letztlich ist alles gut gegangen.
  2. Was hat später am meisten dazu beigetragen, dass Sie sich fünftausend Kilometer von Ihrem Geburtsort entfernt zu Hause fühlen konnten?
    Ein Besuch bei meiner Großmutter im April 1994. Er hat mich in dem Gefühl bestärkt, dass ich meine Wurzeln in Oromia habe. Danach konnte ich mich mit größerer Sicherheit auf meine neue Heimat einlassen – und saß nicht mehr zwischen, sondern auf zwei Stühlen.
  3. Ihre ersten Karriereschritte taten Sie als Groß- und Außenhandelskaufmann für eine Bremer Kaffeerösterei. Gab es eine Sehnsucht nach der Ferne?
    Ja, die gab es – und die Lust auf einen Job, der viel mit Reisen und einer gewissen Internationalität zu tun hat. Mir gefiel die Vorstellung, Personen aus unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen.
  4. Sie wurden aber schließlich Schauspieler, Moderator, Entertainer, Autor und Sänger. Wissen Sie noch, was Sie am liebsten tun?
    Kurz und knapp: alles. Das ist das Schöne an meinem Job. Mein Beruf ist für mich ein Traumberuf. Es ist nicht immer alles schön, aber unterm Strich kann ich mich durch meine vielfältigen Tätigkeiten auf unterschiedlichste Art und Weise ausdrücken. Ich möchte keine der Facetten meines Berufes missen.
  5. Sie sind nicht zuletzt deshalb bekannt geworden, weil Sie perfekt Platt schnacken. Hatten Sie jemals Angst, darauf reduziert zu werden?
    Nein, Angst ist selten ein guter Begleiter. Abgesehen davon bin ich kein Freund von Schubladen. Plattdeutsch ist ein Teil meiner Persönlichkeit, den viele Menschen von mir kennen. Meine anderen Seiten sind inzwischen aber genauso bekannt und sichtbar. Das ist mir auch wichtig.
  6. Sie selbst sind in Äthiopien geboren, Ihre Frau stammt aus Portugal, Sie leben in Norddeutschland. Haben Sie eine „Patchwork-Nationalität“?
    Der Begriff Nationalität ist für mich ein eher formaler Begriff und wenig emotional. Meine Nationalität ist „deutsch“, so steht es auch in meinem Ausweis. In meinem Herzen bin ich aber Oromo, Norddeutscher, vielleicht Nordportugiese und ein bisschen Ostfriese. Das ist also eher etwas Regionales und etwas, was ich mit besonderen Menschen in meinem Leben verbinde. Eine Patchwork-Nationalität habe ich also nicht, dafür aber viele Heimaten.
  7. Was ist daran reizvoller: die Gemeinsamkeiten oder die Unterschiede?
    Beide Aspekte sind für mich reizvoll und wichtige Bestandteile unseres Miteinanders. Ich finde die Gemeinsamkeiten sind kraft-, halt- und energiegebend. Die Unterschiede hingegen sorgen für eine gewisse Spannung und sind inspirierend.
  8. Ist Heimat eigentlich ein Ort, eine Sprache oder ein Gefühl?
    Heimat ist für mich alles drei zusammen und zudem dynamisch und in unterschiedlichen Ausprägungen präsent.
  9. In Ihren TV- und Hörfunk-Formaten besuchen Sie kleine Ortschaften und treffen besondere Menschen. Kann Norddeutschland Sie noch überraschen?
    Auf jeden Fall! Es gibt Ortschaften, in denen ich haltgemacht habe, nur um zu sehen, was sich in den kleinen Nebenstraßen abspielt. Es gibt noch viel zu entdecken bzw. wiederzuentdecken, darunter schöne Sehnsuchtsorte, zu denen ich sehr gerne wieder zurück möchte: die Insel Wangerooge, der Badesee in Sandersfeld, das Zwischanahner Meer und der Hasbruch bei Falkenburg, um nur ein paar von ihnen zu nennen.
  10. Wenn Sie dabei durchs Oldenburger Land kommen, wo machen Sie unbedingt einen Zwischenstopp?
    Wenn es geht, beim Bäcker und im Laurentius Hospiz in Falkenburg oder am Haus, in dem wir früher gewohnt haben. Und natürlich auch bei den Menschen, mit denen ich im Herzen verbunden bin.
  11. Gibt es etwas, das typisch ist für die Menschen dieser Region – und das Sie auch in sich selbst entdecken?
    Das mit dem „typisch“ ist ja immer so eine Sache, das ist wieder eine Schublade. Es gibt aber tatsächlich etwas, das haben nicht nur die Norddeutschen, sondern auch viele Oromos: Diese besondere Einsilbigkeit. Das passt zwar nicht so ganz zu meinem Job als Moderator und Entertainer, aber ich genieße es tatsächlich, auch mal nichts zu sagen. Daher schätze ich es, wenn Menschen ohne viele Worte auf den Punkt kommen.
  12. Und am Ende eines vollen Arbeitstages, was schmeckt Ihnen da am besten? Grünkohl, Labskaus oder Doro Wat?
    Doro Wat ist ein Wort aus dem Amharischen, einer von etwa 80 äthiopischen Sprachen. Wir Oromos sagen zu dieser roten Soße mit Hähnchenfleisch Ittoo Lukku. Das und Grünkohl sind meine Lieblingsspeisen. Und das Schöne ist: Bei den Oromo gibt es die Sauce auch mit Grünkohl, es passt also beides bestens zusammen.
©Sven Schomburg

Platt snacken mit Dibaba

Yared Dibaba trat erstmalig in der NDR Familienserie „Die Ohnsorgs“ auf und feierte seinen Durchbruch 2008 mit der Talkshow „Die Tietjen und Dibaba“. In seinen Auftritten verankert er stets seine zweite Muttersprache Plattdeutsch. Sein Verhältnis zur niederdeutschen Sprache beschreibt er so: „Die Sprache ist platt, aber das Herz umso runder.“

Hier mehr erfahren auf der Website von Yared Dibaba →

 

 

 

 

 

 

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