Mein Lieblingsort: die Berner Orgel in der St.-Aegidius-Kirche

Ein Instrument mit spürbar guten Schwingungen

Orgelpfeifen der Berner Orgel in der St.-Aegidius-Kirche in der Wesermarsch

©Christoph Schönbeck, NOMINE e.V.

Es lässt sich nur schwer beschreiben, aber der satte, vielfältige Klang einer Orgel hat auf Menschen eine besondere Wirkung. Kein anderes Instrument kann tiefere oder höhere Töne erzeugen, ist Einzelstimme und Orchester in einem. Die akustischen Schwingungen gehen durch Mark und Bein und regen damit unsere Sinne an. Deswegen halte ich mich am liebsten bei der „Berner Orgel“ auf. Oder genauer: spiele und spüre sie.


Diese Form der Musik ist stets ein einzigartiges Erlebnis, je nachdem, wie viele Menschen im Raum sind und welche klimatischen Bedingungen gerade herrschen. Die Orgel in der St.-Aegidius-Kirche darf ich nun bereits seit zehn Jahren spielen. Meine erste Begegnung mit diesem Musikgerät hatte ich im Alter von 24 Jahren. Das vielseitige Tasteninstrument beeindruckte mich mit seiner breiten Palette an Klangfarben so nachhaltig, dass ich an der Hochschule für Künste in Bremen Orgel und Cembalo sowie Kirchenmusik studiert habe. 2014 kam ich schließlich durch meine Stelle als Kantorin und Orgelsachverständige der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg nach Berne.

Jede Pfeifenorgel ist ein Unikat

Das Gotteshaus wurde im Jahr 1234 errichtet und zeugt mit seiner Architektur von einer Baukunst, die Jahrhunderte zurückgeht. Auch Geschichten und Schicksale ganzer Generationen können die alten Mauern erzählen. Im Inneren fühle ich mich sehr wohl. Das liegt an der Art, wie das Licht in unterschiedlichen Schattierungen durch die Kirchenfenster fällt – der Raum wirkt nie langweilig auf mich, sondern immer wieder neu.

Vor allem aber wegen der „Berner Orgel“. Hier könnte ich stundenlang sitzen. Das imposante Instrument bereichert den Kirchenraum nicht nur optisch, sondern auch klanglich. Jede Pfeifenorgel ist einzigartig und kein Produkt von der Stange – sie wird für den Raum, in dem sie erklingen soll, ganz neu geschaffen. Aus Chroniken wissen wir, dass Reinhart van Lampeler aus Brabant eine Orgel mit neun Stimmen baute, die später von Meister Kröger auf die Westempore umgesetzt und erweitert wurde. Über die Jahrhunderte wurde sie mehrfach repariert und umgebaut.

Die aktuelle Restaurierung ist eine große Verantwortung für mich. Unterstützt werde ich dabei von der Gemeinde, einer Expertenkommission, sowie Vertreterinnen und Vertretern der Denkmalpflege und einem Architekturbüro. Im Sommer 2023 wurde die Orgel abgebaut und befindet sich derzeit in einer umfangreichen Instandsetzung. Unser Ziel ist, das Klangpotenzial der alten Pfeifen freizusetzen, indem ihre präzise Ansprache, die Tonintensität und die Mischfähigkeit wiederhergestellt wird. Damit soll dieses wertvolle Zeitdokument der Berner Geschichte und der norddeutschen Orgelbaukunst bewahrt bleiben.

©Dr. Thomas Ehlert
©Christoph Schönbeck, NOMINE e.V.

Die Berner Orgel: Arbeitsplatz und Teil der Geschichte

Die Berner Orgel und St. Aegidius sind mein Arbeitsplatz, gleichzeitig aber so viel mehr – nämlich ein Teil unserer Geschichte und der Menschen, die hier leben. Nicht umsonst wurden Orgelbau und -musik 2014 als „Immaterielles Kulturerbe der Menschheit“ anerkannt. Ohne dieses wertvolle Kulturgut und die Bedeutung der Kirchenmusik zu verstehen, fehlt uns ein wesentlicher Bezugspunkt zu unserer Vergangenheit und Gegenwart.

 

„Orgelmusik ist ein einzigartiges Erlebnis, das sich niemals gänzlich wiederholen lässt.“

Natalia Gvozdkova, Organistin

 

Allein schon deshalb möchte ich meinen Lieblingsort pflegen und mit möglichst vielen Menschen teilen. Durch seine Vielfalt und Lebendigkeit inspiriert mich die „Berner Orgel“ immer wieder aufs Neue. Ich freue mich, wenn ich dieses Gefühl durch mein Spiel transportieren und Begeisterung für das musikalische Klangwunder wecken kann.

©Christina Dietmann

Natalia Gvozdkova wurde 1971 in Leningrad (St. Petersburg) geboren. Mit sechs Jahren begann sie mit Klavierunterricht, es folgte ein Klavierstudium, sowie ein Studium der Orgel-, Cembalo- und Kirchenmusik. Nach einer Anstellung als Kantorin in Sachsen-Anhalt kam sie 2014 ins Oldenburger Land.

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