Als Frau in der JVA arbeiten

Meine Stärke: Durchsetzungsvermögen

17. November 2023

Als Frau in der JVA arbeiten

©von Mende Marketing

Während manche ein Gefängnis noch nicht einmal freiwillig für einen Kurzbesuch betreten möchten, hat Astrid Krenzke es zum Arbeitsplatz gemacht: Sie ist Justizvollzugsbeamtin und damit verantwortlich für den Schutz der Bevölkerung vor Inhaftierten. Gleichzeitig trägt sie dazu bei, dass die Gefangenen zukünftig straffrei leben. Was es dafür braucht? Neben der Fähigkeit, sinnvoll zwischen Nähe und Distanz abzuwägen, auch eine starke innere Haltung. Denn Konfliktsituationen gehören zum Alltag.


Das Einstellungsverfahren mit zahlreichen Tests unter anderem zu Intelligenz, Psyche und körperlicher Fitness, die Besichtigung der Gefängnisräume und vor allem die Arbeit mit Straffälligen – nichts von alledem schreckte Astrid Krenzke ab, sich zur Justizvollzugsbeamtin ausbilden zu lassen. Im Gegenteil: „Ich bereue, diesen Beruf nicht schon viel früher ergriffen zu haben“, stellt sie rückblickend fest.

Auf das Berufsbild aufmerksam gemacht hatte sie ihr bester Freund. Selbst Justizvollzugsbeamter meinte er: „Dieser Beruf passt total zu dir – bewirb dich doch!“ Zunächst war Astrid Krenzke, damals 36 Jahre alt, noch zögerlich. Aber ihre Tätigkeit als Arzthelferin stellte sie nicht mehr zufrieden. Und sie entschied, es einfach mal zu versuchen.

Beherrschter Umgang mit Ausnahmesituationen

Mittlerweile arbeitet sie seit 15 Jahren in der Justizvollzugsanstalt Vechta im Jungtätervollzug. Sie ist jeweils zur Hälfte im Tagesdienst und im Bereich „Ausbildungsleitung“ eingesetzt. Ihr Dienst beginnt oft morgens um sechs Uhr. Sie holt sich Schlüssel und Personennotrufgerät, macht die Übergabe mit der oder dem Verantwortlichen aus der vorhergehenden Schicht. Dann ergeben sich die Aufgaben „situationsbedingt“, wie sie es nennt. „Kein Tag ist wie der andere – wir müssen auch auf Ausnahmesituationen reagieren.“ Gerade diese Vielfalt macht ihre Tätigkeit als Justizvollzugsbeamtin interessant.

Zu ihrem Alltag gehört ebenso, dass sie beim Rundgang über den Hof manches Mal von Insassen provoziert wird. „Deswegen ist es wichtig, dass man sich mit ihnen auseinandersetzen kann“, betont Astrid Krenzke. Werde sie etwa beschimpft, dürfe sie als Justizvollzugsbeamtin nicht die Beherrschung verlieren, sondern müsse deeskalierend wirken. In Konfliktsituationen gelte es, diese entweder ruhig zu lösen oder den Beteiligten klare Grenzen aufzuzeigen.

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Letzteres stellt sich bisweilen als gar nicht so einfach heraus. Denn gleichzeitig braucht es ein Gespür für den Charakter jedes Insassen und Offenheit ihm gegenüber. „Die Gefangenen sollen sich uns anvertrauen, mit uns reden können“, sagt Astrid Krenzke und ergänzt: „Aber wir dürfen sie auch nicht zu nah an uns heranlassen, etwa keine privaten Details über uns preisgeben.“ Sonst bestünde die Gefahr, sich angreifbar oder sogar erpressbar zu machen.

„Das Vertrauen untereinander ist wesentlich.“

Astrid Krenzke betont: „Nähe und Distanz sinnvoll gegeneinander abzuwägen spielt bei uns eine sehr große Rolle.“ Ihre Persönlichkeit scheint dafür wie gemacht – sie ist durchsetzungsstark, zielorientiert und hat dabei nicht nur sich, sondern das Gesamtgefüge im Blick. Aber auch das Wissen aus der Ausbildung und die Orientierung an erfahrenen Kolleginnen und Kollegen hilft. Überhaupt sei das Team extrem wichtig, betont die 51-Jährige: „Das Vertrauen untereinander ist wesentlich. Man muss sich auf seine Kolleginnen und Kollegen verlassen können.“

Einen Unterschied darin, wie Frauen und Männer ihren Aufgaben in der Justizvollzugsarbeit nachgehen, gibt es laut Astrid Krenzke nicht. Bis auf ein Detail: Justizvollzugsbeamtinnen dürfen bei der Entkleidung männlicher Gefangener nicht anwesend sein und sie nicht durchsuchen. So sieht es der §77 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes vor. Davon abgesehen haben alle die gleichen Voraussetzungen, auch in Bezug auf die Karriere. So liegt beispielsweise die stellvertretende Leitung der JVA Vechta derzeit in den Händen einer Frau.

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Beklemmung oder gar Angst? Kein Thema!

Astrid Krenzke selbst wurde erst kürzlich zur Ausbildungsleiterin bestellt – ein Aufgabenfeld, das sie besonders gern erfüllt. Sie bearbeitet neu eingehende Bewerbungen und betreut Anwärterinnen und Anwärter. Dazu gehört die Organisation der Dienstkleidung, die Koordination der Schlüssel- und Urkundenübergabe und vor allem die Gestaltung des Unterrichts. Damit die angehenden Justizvollzugsbeamtinnen und -beamten für ihre Verantwortung gewappnet sind, müssen sie sich viel Wissen aneignen. „Der Tragweite seiner Arbeit muss man sich bewusst sein und jeden Tag im Blick haben“, bringt es Astrid Krenzke auf den Punkt.

Davon hat sie sich nicht einschüchtern lassen, ebenso wenig wie vom Umfeld des Gefängnisses und seiner Insassen: „Ich hatte noch nie Beklemmungen oder Angst beim Betreten der JVA.“ Diese starke innere Haltung ist keine Selbstverständlichkeit: Dass Auszubildende ihre Lehre zu Ende machen, danach aber nicht in den Beruf einsteigen, komme vereinzelt vor. Der beste Freund von Astrid Krenzke hatte eben Recht: Der Beruf passt total zu ihr.

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