Die Region bei Nacht: Wach, wenn andere schlafen


Es scheint so schlüssig: Wird es dunkel, neigt sich der aktive Teil des Tages dem Ende zu. Aber ist die Betriebsamkeit anderer während der Dunkelheit nicht einfach nur weniger sichtbar? Konkreter gefragt: Was passiert in der Region, wenn – vermeintlich – nichts passiert? Ein erhellender Streifzug durch nächtliche Stunden.

11. April 2024

©ExxonMobil

 21 Uhr

Wenn das Tageslicht schwindet in der Oldenburger Innenstadt, streift „Willibald“ schon durch die Straßen. In den Händen hält er Laterne und Hellebarde; seine Gestalt umweht ein Umhang, auf seinem Kopf thront ein Dreispitz. Wer sich bei seinem Anblick ins 18. Jahrhundert zurückversetzt fühlt, liegt richtig: In diesem Zeitraum bis 1915 waren in Oldenburg echte Nachtwächter aktiv. Als moderne Variante führt Willibald – mit bürgerlichem Namen Etienne Légat – gerade die 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer seiner „Nachtwächter-Tour“ durch die inzwischen dunkle Stadt, darunter Bewohner, Gäste und Touristinnen. Allesamt sind sie begeistert.

1786 Nachtwächter-Tour in Oldenburg
©„Die Nachtwächter“

„Sobald die Sonne unter- und das Licht in Straßenlaternen und Häusern angeht, enthüllt Oldenburg einen ganz eigenen Charme“, beschreibt Légat die Fazination. „Dann werden seine dunklen Fassaden zur Bühne für Geschichten aus längst vergangenen Zeiten wie der große Stadtbrand 1676.“ Das Format wurde vor 25 Jahren in Osnabrück entwickelt, Elisabeth Doerk und Regina Küper-Südhoff haben es mit ihrem Unternehmen „Die Nachtwächter“ 2022 in Oldenburg eingeführt. „Ich kenne und liebe die Stadt seit meinem 13. Lebensjahr – deswegen war es für mich eine Herzensangelegenheit, die nächtlichen Führungen von der Hase an die Hunte zu bringen“, erzählt Légat.

2023 nahmen gleich 2.000 Menschen das Angebot wahr. Sie verhalten sich tagsüber auf dem Marktplatz spürbar anders als abends mit einer Laterne im fahlen Mondlicht hinter der Lambertikirche, wie Légat feststellt: „In der Dunkelheit rücken die Menschen oft näher zusammen; die Sinne sind geschärft und der alleinige Fokus liegt auf der Führung.“ Außerdem helfe die Finsternis sehr, die Geschichten der Vergangenheit in der Vorstellung wieder lebendig werden zu lassen, wie den großen Stadtbrand 1676 in Oldenburg.

©Marcus Windus

NACHTS AUF SEE
Fischen kennt keinen Fahrplan

Die Netze liegen am Meeresboden, die Besatzung schläft. Alles auf dem Krabbenkutter „Christine“ ist vorbereitet für den nächtlichen Fang. Dann wird es ganz ruhig um Söhnke Thaden. Ein besonderer Moment, den der Krabbenfischer genießt: „Ich lasse mich zurückfallen und staune!“ Die Nacht kann überwältigend sein. Und sie hat ihre Vorteile: Die Fischerei läuft nachts besser als tagsüber, denn Fische sehen bei Dunkelheit das Netz nicht oder schlechter. „Manche Arten lassen sich nur dann fangen“, weiß Thaden aus über 35 Jahren Erfahrung. Läuft er zum Löschen im Hafen von Fedderwardersiel ein, hat er bis zu sechs Tonnen Fang an Bord. Die übernimmt ein Lkw, anschließend wird das Schiff sauber gemacht. Ob nachts um 4 oder morgens um 10 Uhr, Söhnke Thaden macht da keinen Unterschied. Für ihn zählt seine Begeisterung für den Beruf. „Mit Herz rangehen“, nennt er das. Seines schlägt für die Fischerei – bei Tag und bei Nacht.

→ Wie genau sich die Arbeit des Fischers nachts gestaltet, erzählt diese Geschichte.

 22 Uhr

Während die Tour von „Willibald“ langsam zu Ende geht, befinden sich viele Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer noch mittendrin. Insbesondere bei Fahrten in der Dämmerung und nachts müssen sie hochkonzentriert und aufmerksam sein, wechselnde Schichten verarbeiten und dennoch unter Zeitdruck ihre Waren pünktlich liefern. Das strengt an – und erfordert regelmäßige Pausen. Eine besondere lässt sich an der Brückenraststätte Dammer Berge machen. Als eine von lediglich zwei dieser Art in Deutschland spannt sie sich mit ihren über 100 Meter Länge über die A 1 zwischen Osnabrück und Bremen. In der Brückenraststätte und den beiden Tankstellen sind rund 70 Mitarbeitende tätig und sorgen dafür, dass die Gäste jederzeit bei Essen und Trinken pausieren können. Dabei lohnt sich ein Blick aus den raumhohen Fenstern der „Brücke“ auf die an- und abschwellende Fahrzeugflut. Auch manche „Trucker“ lassen sich bei einer Tasse Kaffee für einen kurzen Moment auf diesen Perspektivwechsel ein – bevor es frisch koffeiniert auf die nächste Etappe geht.

1786 Brückenrasthaus Dammer Berge Holdorf
©Tank & Rast Gruppe

 

 23 Uhr

Alles andere als pausieren wollen die Feierfreudigen, die sich in die größer werdende Schlange vor dem Club „5 Elements“ in Wildeshausen einreihen. Das Sicherheitspersonal wird davon nicht nervös: Ruhig kontrolliert es die Altersnachweise der jungen Gäste, die ihre aufgeregte Vorfreude derweil kaum verbergen können. Verständlich: Drinnen lockt das Versprechen, die Nacht zu einem pulsierenden Party-Rausch zu verdichten. 2016 hat Betreiber Lars Ossenbeck die frühere „Fun Factory“ übernommen und den Club nach einem Makeover zu einer festen Größe im regionalen Nachtleben gemacht. Zu klassischen Club-Nächten, Motto-Partys, aber auch Konzerten zieht es die Jugend aus der gesamten Umgebung seitdem ins „5 Elements“. Bis weit in den frühen Morgen wabern die Schwingungen der bebenden Beats durch die verschiedenen Areas.

 24 Uhr

Wie die Besucherinnen und Besucher des „5 Elements“ ohne Sound und Lichteffekten einen eher unbefriedigenden Club-Abend erleben dürften, stünden ungezählte Haushalte der Region ohne Erdgas vor einem Problem. „Es wird rund um die Uhr verbraucht: beim Heizen, beim Kochen und in der Stromerzeugung“, bestätigt Michael Kirmes. Er muss es wissen: Als Schichtleiter ist er mitverantwortlich dafür, dass der reibungslose Betrieb der Erdgasaufbereitungsanlage in Großenkneten zu jeder Zeit sichergestellt ist. „Sie läuft natürlich auch nachts, damit die Haushalte mit Gas versorgt werden“, erzählt er. Dafür sind 150 Mitarbeitende im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb und in der Instandhaltung nötig.

Seit Inbetriebnahme der Anlage vor mehr als 50 Jahren wurden etwa 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas aufbereitet. Zur Veranschaulichung: Mit dieser Menge ließen sich alle niedersächsischen Haushalte mehr als 40 Jahre lang mit Energie versorgen. In Großenkneten befindet sich auch die Schalt- und Überwachungszentrale für alle 180 Erdgas- und 360 Erdölbohrungen von ExxonMobil in Niedersachsen. „Das Herzstück der operativen Förderaktivitäten des Unternehmens“, wie Kirmes dazu sagt. Auch für diese sogenannte „Feldesleitzentrale“ gilt: Sie kennt keinen Nachtmodus, sondern wird durchgehend von einem Team aus insgesamt 20 Fachleuten betreut. Nachts zu arbeiten sei gewöhnungsbedürftig, gibt Michael Kirmes zu. Es habe aber auch Vorteile: „Ich werde zum Beispiel immer pünktlich nach acht Stunden von der Folgeschicht abgelöst.“

©ExxonMobil

 1 Uhr

Die Geschäftsidee von Christian Wisley-Schulz und Benny Schneider wiederum kommt ohne die Überwachung durch Menschen aus – sie wird von Kameras übernommen. Denn ihr 24-Stunden-Kiosk besteht ausschließlich aus Automaten. Aus ihnen können sich an den beiden Standorten in Oldenburg und Bad Zwischenahn die Kundinnen und Kunden selbstständig bedienen. Im Angebot: Getränke und Snacks wie frisch hergestelltes Popcorn oder Kuriositäten, zum Beispiel Tortillachips aus Mexiko in der Geschmacksrichtung Gurke und Limette.

„Wir wollten immer auch dann aufhaben, wenn alles andere schon geschlossen hat“, erklären die Inhaber von „ZwillisTante“, inspiriert von Vorgängern in Österreich. Die Zwillingsbrüder – daher die Namensgebung – machten sich im Januar 2023 an die Umsetzung ihrer Idee; arbeiteten einen Business-Plan aus, sorgten für die nötigen Genehmigungen, suchten passende Standorte und bestellten die Automaten. Ein halbes Jahr später konnte es losgehen. „Obwohl wir unsere Kioske nur wenig aktiv bewerben, sind sie gleich gut angelaufen“, freut sich Christian Wisley-Schulz. Zum Start habe das Stadtfest geholfen und die Menge an Menschen, die weit in die Nacht unterwegs gewesen seien.

 

„Wir machen nachts die meisten Umsätze –
selbst unter der Woche.“

Christian Wisley-Schulz, Gründer 24-Stunden-Kiosk ZwillisTante

 

Aber auch unabhängig von größeren Anlässen bilanziert Wisley-Schulz: „Wir machen nachts die meisten Umsätze – selbst unter der Woche.“ Ebenso gut sieht sein Fazit aus, was die anfängliche Skepsis gegenüber möglichem Vandalismus angeht. Sie wich schnell positiven Erfahrungen. „Nach einem Dreivierteljahr haben wir festgestellt: Es passiert weit weniger als befürchtet“, so der Betreiber. „Mittlerweile ist unter den Jüngeren sogar eine richtige Community entstanden, die uns Hinweise gibt, wenn mal etwas schiefgegangen ist.“

Überhaupt seien gerade Jugendliche in der Regel höflich und respektvoll. Sie treffen sich am „Späti“, weil zu ihren Gesprächen im Hintergrund Musik läuft, es hier Spielautomaten und ein – eben – spätes Bierchen gibt.

©von Mende Marketing

SCHWESTER IM KRANKENHAUS
Immer ansprechbar sein

Die Nächte von Olga Weigant sind gleißend hell: In der Zentralen Notaufnahme des St. Josephs-Hospitals in Cloppenburg sind alle Räume optimal ausgeleuchtet. Aus gutem Grund: Bei den Tätigkeiten der 42-jährigen Krankenschwester kommt es auf kleinste Details an: „Wir müssen über viele Stunden aufmerksam und konzentriert sein, um auch bei Notfällen einen kühlen Kopf zu bewahren“, erzählt sie. Die Nachtschicht ist besonders lang, sie dauert von 20 Uhr bis 6 Uhr. Wenn sich zu Stoßzeiten die Gänge füllen, wird es stressig für die dreifache Mutter: Kaum einen Schritt kann sie tun, ohne angesprochen zu werden. Geduldig beantwortet sie alle Fragen, auch ihre gute Laune verliert sie nicht. Dabei wartet im Schockraum schon der Patient. Ruhe? Gibt es für die gebürtige Kasachin erst spät in der Nacht – dann, wenn draußen schon der neue Tag anbricht.

Begleiten Sie Olga Weigant bei ihrer Schicht!

 2 Uhr

Auch in der Bäckerei Glup in Friesoythe brennt Licht. Nicht „immer noch“, sondern „wieder“. Die Schicht von Rolf Hartmann hat begonnen, sein Wecker dafür um 0.50 Uhr geklingelt. „Mit mir geht der Arbeitstag los“, sagt der Backstubenleiter. Seine Aufgaben zunächst: den Backplan herunterladen und festlegen, wie viel Teig hergestellt werden muss, anschließend die Brötchen und Brotteige abwiegen. „Um drei Uhr stelle ich die Knetmaschinen an, dann folgt die Teigruhe“, erklärt Hartmann. Eine Stunde später finden schon die ersten Backwaren ihren Weg in den Ofen.

 

„Mit mir geht um 2 Uhr morgens der Arbeitstag los.“

Rolf Hartmann, Backstubenleiter bei Bäckerei Glup

 

Pro Tag entstehen etwa 18.000 normale und gemischte Brötchen, 750 Brote sowie Croissants und verschiedene Kuchensorten. 15 Leute arbeiten dafür in der Produktion; dazu kommen sechs Auslieferungsfahrer, die ihre erste Tour um vier Uhr starten, um die 13 Glup-Filialen, aber auch die externe Kundschaft wie Kioske und Schulen zu beliefern. Dass die Qualität der Waren stimmt, liegt in der Verantwortung von Rolf Hartmann, ebenso die Rohstoff- und Mehlbestellung, die Produktentwicklung und das Personalmanagement.

Der gebürtige Bremer hat bei Glup seinen Bäckermeister gemacht und arbeitet seitdem im Betrieb – seit nunmehr 29 Jahren. An das frühe Aufstehen ist er also gewöhnt. Und kann ihm durchaus etwas abgewinnen: „Ich habe nie Stau und den ganzen Nachmittag frei; als meine Kinder noch klein waren, konnte ich viel für sie da sein“, stellt Hartmann fest. Was auch hilft: die Sinnhaftigkeit des Bäckerberufs. „Wenn wir nicht aufstehen, haben die Menschen weder frisches Brot noch Brötchen.“

 

 3 Uhr

Die einen fahren hin zur Arbeit, die anderen von der Party nach Hause. Wie die Club-Gäste des „5 Elements“: Haben sie genug gefeiert, können sie dank der Nachtfahrerinnen und -fahrer des Zweckverbands Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN) dafür auch den öffentlichen Nahverkehr nutzen. So verbindet der „HunteSprinter“ die Gemeinden Wildeshausen, Dötlingen, Kirchhatten und die Stadt Oldenburg und fährt unter der Woche fast durchgängig alle 30 Minuten in beide Richtungen. Auch samstags liegt die Taktung immer noch bei 60 Minuten – bis tief in die Nacht. „Ein Anlass, Nachtverkehre an den Wochenenden einzurichten, waren die traurigen Meldungen von tödlichen Unfällen auf dem Rückweg von der Diskothek“, weiß Stefan Bendrien, zuständig für den Bereich Planung und Qualität beim ZVBN. „Bis heute leisten die Nachtverkehre im ländlichen Raum einen starken Beitrag zur sicheren Mobilität in der Nacht.“

©Julian Huke Photography

DJ IM CLUB
Die Nacht zum Tag machen

Tiefe Bässe bringen den Raum zum Beben, Lichtblitze durchzucken die Dunkelheit, Trockennebel verhüllt die Tanzfläche. Über allem thront Nicky Jones, einer der bekanntesten DJs im Nordwesten. Seit über zwanzig Jahren legt der Vareler bei großen Events in ganz Europa auf, aber auch bei regionalen Formaten wie „Tante Mia tanzt“. Sein Metier ist die Nacht, seine Arbeit beginnt erst weit nach dem Tageswechsel – wenn die einen schlafen und die anderen feiern. Vinyl und Turntables wurden mittlerweile zwar von smarten DJ-Controllern abgelöst, doch Nick van den Berg – wie er bürgerlich heißt – muss aufmerksam bleiben: die Tanzfläche „lesen“, auf Stimmungen reagieren. Eine klassische Nachtschicht ist es für den gebürtigen Niederländer trotz allem nicht: „Ich arbeite, aber ich feiere mit“, erklärt er. Und macht mit seinem Set die Nacht zum Tag.

→ Mehr zum Jet-Set-Leben von Nicky Jones erfahren Sie hier.

 4 Uhr

Ebenfalls bei Dunkelheit unterwegs ist das Team von Feinkost und Marktbeschicker Bastwöste. Um 4.30 Uhr haben sie angefangen, den Anhänger in der Oldenburger Zentrale mit der frischen Ware zu beladen: Spezialitäten aus eigener Produktion und von traditionellen Herstellern aus unterschiedlichen, oft südländischen Regionen. 40 Minuten – und an manchen Tagen einen überwältigenden Sonnenaufgang – später sind zwei von ihnen am Marktplatz in Jever angekommen. Hier bauen sie den Anhänger mithilfe von Stützen und Planen zum Marktstand um und platzieren dann die Produkte wie Öle und Essige ansprechend auf dem Tresen.

1786 Marktstand Bastwöste im Morgengrauen
©Bastwöste

„Das frühe Aufstehen fällt manchmal schwer“, gesteht Ferdinand Freitag, einer von vier Geschäftsführenden Gesellschaftern bei Bastwöste. Aber: Dass sich das Team so gut verstehe und die Kundschaft nett und dankbar sei, mache es deutlich leichter. „Gerade unsere Stammkundinnen und -kunden nutzen die Ruhe frühmorgens gerne zum Einkaufen. Und bringen uns große Wertschätzung entgegen, weil wir schon da sind“, so Freitag. Die Stimmung sei dadurch fast familiär. Er verspüre auch eine gesellschaftliche Verantwortung: „Der traditionelle Wochenmarkt ist gerade in Norddeutschland eine feste Institution für viele Menschen. Ohne uns, die früh aufstehen, könnte sie nicht weitergeführt werden.“ (1.320)

 

 5 Uhr

Aus Sicht von Hans-Hermann Steinkamp würde dieser Satz wohl lauten: Ohne uns, die nachts arbeiten, würden Briefe nicht an ihr Ziel gelangen. Zumindest nicht zeitnah. Er ist seit 2019 Leiter des Briefzentrums Oldenburg und für bis zu 310 Mitarbeitende verantwortlich. „Logistisch bewegen wir einiges“, bemerkt er – man könnte sagen – zurückhaltend. Denn in Zahlen gefasst bedeutet der hiesige Betrieb: etwa 800.000 Sendungen und über 300 Touren pro Tag. Wer die vielen Umschläge auf den Bändern der Großbriefsortieranlage mit 15 Kilometern pro Stunde an sich vorbeifliegen sieht, bekommt eine Vorstellung von den Dimensionen.

1786 Leiter Briefzentrum Tweelbäke
©von Mende Marketing

Gearbeitet wird in drei Schichten, der Dialogpost-, der Abgangs- und der Eingangsbearbeitung. Letztgenannte ist von 22 bis 8 Uhr angesetzt. Warum auch nachts? Ganz einfach: Tagsüber werden die Briefkästen geleert, Sendungen aus den Postfilialen abgeholt und abends auf die Briefzentren im jeweiligen Zielgebiet verteilt. Würden sie nur tagsüber sortiert, dann würden Arbeitsplätze und Maschinen nicht ausreichen, um alle eintreffenden Sendungen abzuwickeln. „Bis zu zwei Drittel werden nachts verarbeitet“, veranschaulicht Steinkamp. Die Folge wären schlicht längere Zustellzeiträume oder gar Verarbeitungsstau. Und Unmut bei den Empfängerinnen und Empfängern. Das zu vermeiden setzt voraus, dass knapp vier Fünftel der Belegschaft abends oder nachts arbeiten. Aber Steinkamp betont: „Ein Großteil der Mitarbeitenden sind Teilzeitkräfte, die sich ganz bewusst für die Schichtarbeit entschieden haben, beispielsweise weil dann mehr Zeit für die Familie bleibt.“ Und die Rahmenbedingungen sind bestmöglich – mit Entlastungs- und Altersteilzeit, mit längeren Pausen und Freischichten bei Nachtarbeit.

1786 Briefzentrum Tweelbäke Nachtschicht
©von Mende Marketing

Auch Steinkamp selbst ist regelmäßig zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten im Briefzentrum anzutreffen, etwa um ein Problem zu lösen. Das kann vorkommen, immerhin sind Logistik und Technik in einem Briefzentrum komplex. Auch auf Veränderungen in der Lieferkette oder ein erhöhtes Sendungsaufkommen muss der erfahrene Leiter des Briefzentrums sofort reagieren, unter anderem indem er Schichtpläne anpasst. Die große Verantwortung trägt Steinkamp gerne. „Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich und bleibt dadurch spannend“, sagt er. Mache er seine Sache gut, werde ihm das außerdem gespiegelt. „Mich motiviert, wenn positiv über die Post gesprochen wird und unsere Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit zufrieden sind.“

Tagesanbruch

Mittlerweile sind die ersten morgenroten Streifen am Himmel zu erkennen. Frische Brötchen duften in den Auslagen der Bäckereien, die Waren von Marktständen wandern in die Hände früher Kundschaft, die sich von einer außergewöhnlichen Nachtwächter-Führung erzählt. In den Häusern springen Heizungen und warme Duschen an, während einige Club-Gäste noch etwas Schlaf nachholen. LkW-Fahrerinnen und -Fahrer besteigen nach einem Frühstück in der Raststätte ihr Führerhaus. Bald liefern Zustellerinnen und Zusteller die ersten Briefe aus. Dass nachts in der Region nichts passiert, kann man also nicht behaupten. Oder andersherum: Würden alle schlafen? Undenkbar!

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