Als DJ im Club

Die Nacht zum Tag machen

11. April 2024

1786 DJ Nicky Jones beim Auflegen

©Julian Huke Photography

Tiefe Bässe bringen den Raum zum Beben, Lichtblitze durchzucken die Dunkelheit, Trockennebel verhüllt die Tanzfläche. Über allem thront Nicky Jones, einer der bekanntesten DJs im Nordwesten. Seit über zwanzig Jahren legt der Vareler bei großen Events in ganz Europa auf, aber auch bei regionalen Formaten wie „Tante Mia tanzt“. Zu verdanken hat er all das: seiner Nachbarschaft.


Alles begann ganz harmlos. Im Alter von zwölf Jahren entdeckte Nick van den Berg bei seinem Nachbarn dessen DJ-Set: zwei Plattenspieler, ein Mischpult. Was für andere nur eine Spielerei war, sollte für ihn zu einer Offenbarung werden, die sein Leben verändern würde: „Danach war ich fast täglich drüben, übte pausenlos Scratchen und Mixen.“ Mit Erfolg: Nur wenige Jahre später nahm der Jungspund aus Friesland im benachbarten Oldenburg an einem DJ-Wettbwerb teil – und ergatterte als Sieger einen Booking-Deal. „Ab diesem Zeitpunkt war ich praktisch jedes Wochenende gebucht“, erinnert er sich zurück. Zunächst nur in der Region, doch der Aktionsradius sollte stetig größer werden.

Im Jahr 2013 wurde Nicky Jones vom legendären Hamburger Label Kontor Records unter Vertrag genommen, seinerzeit einer der Platzhirsche in der House- und Techno-Szene. Die Plattenfirma organisierte Touren und Events in ganz Europa, bei denen fortan auch Nicky Jones auflegte. „Da waren Veranstaltungen mit 20.000 oder 30.000 Leuten dabei, das ist natürlich der Wahnsinn“, erinnert sich der erfolgreiche DJ zurück und ergänzt: „Es ist ein tolles Gefühl, oben zu stehen und mitzuerleben, wie die Menge dich anfeuert und nach deiner Musik tanzt.“ Mit einher ging eine Art „Jet-Set-Lifestyle“: Clubs, Festivals, Hotels, Autobahnen, Flughäfen wechselten in rasanter Reihenfolge. Auch Autogramme musste Nicky Jones immer öfter geben. „Komisch“, findet er auch heute noch, schließlich sei er „ein Typ wie jeder andere“. Dennoch gehörte eine gewisse Szene-Prominenz fortan zum Alltag des DJs.

Die etwas andere Nachtschicht

Herausfordernd sind allerdings die Arbeitszeiten eines Discjockeys. Die Regel lautet: Je bekannter man wird, desto später legt man auf. „Der Fluch des Erfolgs“, schmunzelt der gebürtige Niederländer, der bereits im Alter von drei Jahren nach Friesland kam. Für ihn bedeutet dieses Prinzip: Arbeitsbeginn weit nach Mitternacht. Doch das sei – zumindest in jungen Jahren – gut auszuhalten: „Man ist ja nicht der einzige, der arbeiten muss, während alle anderen Spaß haben – man hat selber Spaß!“ Das unterscheide seine Arbeit beispielsweise von der Nachtschicht einer Krankenschwester. Wie die Nacht wird, spürt Nicky Jones übrigens schon früh: „Beim Warm-up beobachtet man, was gespielt wird und wie die Leute reagieren“, erzählt er. Dabei könne man schon viel erkennen und sein eigenes Set anpassen. Das wiederum dauere mal eine Stunde, mal drei bis vier. „Man muss flexibel bleiben“, lacht der DJ.

©Jascha van den Berg

Das gilt auch für die sommerliche Festival-Saison, die ganz andere Anforderungen stellt: An manchen Tagen legt Nicky Jones bei drei verschiedenen Großveranstaltungen auf. „Man sitzt dann eigentlich nur noch im Auto: aussteigen, auflegen, einsteigen und weiter“, erinnert er sich. Einmal sei er wegen Zeitmangels sogar mit einem eigens gecharterten Flugzeug zum Auftrittsort gebracht worden: „Es war schon toll, zwanzig Minuten zu fliegen statt drei Stunden zu fahren. Auch wenn das natürlich Irrsinn ist.“ Es ging dabei aber nicht etwa von Ibiza nach Mallorca – sondern von Conneforde nach Norderney.

©Timo Münzberg

„Man muss die Leute lesen können“

Im Laufe der Jahre hat sich einiges verändert. Musste Nicky Jones früher noch vier, fünf große Kästen mit Vinyl zu seinem nächtlichen Arbeitsplatz tragen, reicht heute ein kleiner USB-Stick: Die bekannten Turntables sind inzwischen smarten DJ-Controllern gewichen, der Sound wird digital abgespielt. „Das Schleppen vermisse ich nicht“, lacht van den Berg, um dann wieder ernster zu werden: „Andere Dinge waren aber früher besser. Zum Beispiel haben DJs ihre eigenen Sounds mitgebracht, die sonst niemand kannte. Heute ist alles immer verfügbar.“ Die eigenhändig kuratierte Musiksammlung verliert also an Bedeutung, auch die Übergänge zwischen den Songs werden häufig automatisiert. Deshalb kommt es heute vor allem auf das Gespür an: Wie ist die Stimmung im Club? Wann funktioniert welcher Track?

„Man muss die Leute lesen können“, erklärt Nick van den Berg. Es gebe zwar Top-Tracks die immer gut funktionierten, die müsse man aber bewusst einsetzen, um neue Impulse zu geben. Deshalb sollte der Sound fein abgestimmt sein auf die Stimmung im Saal. Das simple Prinzip: „Ich schaue, worauf die Leute Bock haben – das spüre ich und passe meine Playlist an.“ Sogenannte „Presets“, die bis ins kleinste Detail vorbereitet sind und nur noch abgespielt werden, schätzt er dagegen weniger – auch wenn sie bei Großereignissen wie „Tomorrowland“ wegen der Pyro-Show nötig sein können. Richtig gut ist ein Auftritt nach seiner Einschätzung, wenn es am Ende Standing Ovations gibt: „Das berührt und begeistert. Dann weiß man, das war cool!“

Immer die Spannung halten

Für Nick van den Berg beinhaltet ein Set nicht nur angesagte Tracks, sondern auch eigenes Material: Er ist nicht nur DJ, sondern auch Producer mit Verträgen bei Majorlabels wie Sony und Warner. Dieser Bereich wurde im Laufe der Zeit immer bedeutender – und erfolgreicher, wie über 20 Millionen Streams bei Spotify zeigen. Mittlerweile legen sogar absolute Megastars wie David Guetta Songs aus der Feder von Nick van den Berg auf. „Es ist ein spezielles Gefühl, wenn so ein weltbekannter Star dein Material spielt“, schwärmt er. „Das macht einen schon ein bisschen stolz.“

Was ihm jedoch zunehmend schwerer falle, sei der ständige Rhythmuswechsel. Denn trotz des Erfolgs hat sich der DJ immer an seinem Beruf als Zerspanungsmechaniker / NC-Programmierer bei Airbus festgehalten: „Toller Arbeitgeber, familiäre Atmosphäre“, nennt er die entscheidenden Gründe für den Karriere-Spagat. Für ihn bedeutet es jedoch, sich nach einem nächtlichen Auftritt in Frankfurt oder München innerhalb eines Tages wieder an die Taktung einer regulären Arbeitswoche zu gewöhnen. „Ich merke das heute etwas stärker in den Knochen als früher“, nimmt er die Veränderungen mit Humor. Ans Aufhören denkt er deshalb noch lange nicht, höchstens an einen kleineren Radius für seine Auftritte – sozusagen back to the roots. Fans müssen sich also keine Sorgen machen: Tiefe Bässe, Lichtblitze und Trockennebel gehören weiterhin fest zum Leben von Nick van den Berg – als Nicky Jones macht er die Nacht zum Tag.

©Mika Grossmann

Warum eigentlich Nicky Jones?

Für die Namen von DJs gibt es keine Regeln. Manche wählen möglichst martialische Pseudonyme – wie etwa DJ Hool. Andere wiederum sehen gar keinen Grund, sich etwas auszudenken und sind trotzdem erfolgreich – wie der Osnabrücker Robin Schulz. Bei Nick van den Berg war es eine Mischung aus beidem: „Als Kind war ich totaler Indiana-Jones-Fan, ich lief sogar ständig mit einer Peitsche rum“, erinnert er sich.

Das sollte Folgen haben: Aus „Indy“ wurde „Nicky“, fertig war der Künstlername. Zwar hat van den Berg statt Peitsche die Sonnenbrille zum Markenzeichen gemacht – ganz wie sein Idol reist er jedoch in der Welt umher und erlebt nächtliche Abenteuer.

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