Als Frau in der Care-Arbeit

Meine Stärke: Gelassenheit

2. November 2023

als Frau in der Care-Arbeit

©von Mende Marketing

Wie stellt man sich den Alltag einer siebenköpfigen Familie vor? Trubelig, stressig, vielleicht sogar chaotisch? Wer die Familie Mercker-Schneider im Oldenburger Ziegelhofviertel besucht, wird schnell eines Besseren belehrt. Eines sucht man hier nämlich vergeblich: Klischees. Obwohl auf den Dielen im alten Stadthaus tatsächlich das pralle Leben tobt, herrscht eine herzliche Gelassenheit. Sie trägt die Handschrift von Mutter Vera, die zwischen Care-Arbeit¹ und Karriere ihren eigenen Weg gefunden hat.


Dabei ist die bunte Truppe aus zwei Erwachsenen, zwei Mädchen und drei Jungs durchaus etwas Besonderes: Gerade einmal 0,1 Prozent aller deutschen Haushalte² haben fünf oder mehr Kinder. Doch Vera winkt ab, sie will keine Ausnahmestellung: „Eine befreundete Familie hat sogar sieben Kinder“, erzählt sie schmunzelnd. „Im Vergleich ist es bei uns noch überschaubar.“

Man möchte ihr zustimmen, als nach und nach Marlene (16), Anton (13), Johanna (10) sowie zusammen mit Papa Clemens die beiden Jüngsten Ferdinand (6) und Paul (4) nach Hause kommen. Mit jedem zusätzlichen Kopf steigen zwar der Geräuschpegel und der Trubel. Doch Vera bleibt ein Ruhepol inmitten des Geschehens: aufmerksam, ansprechbar, authentisch interessiert an den kleinen und großen Geschichten der Kinder. „Ich nehme die Geschenke des Lebens so an, wie sie kommen“, beschreibt sie ihr Credo. Diese Haltung habe sie stärker gemacht, weil sie die Vorteile von Veränderungen in den Blick nimmt, anstatt die Probleme zu sehen.

 

„Ich nehme die Geschenke des Lebens so an,
wie sie kommen“
Vera Mercker, fünffache Mutter und Redenschreiberin

 

Wohltuendes Wachstum

Tatsächlich nahm die 47-Jährige das Anwachsen der Familie nicht etwa als Belastung wahr, sondern als das Gegenteil. „Bei den ersten Kindern versucht man noch, Beruf und Familie in Einklang zu bringen“, blickt sie zurück auf eine anspruchsvolle Lebensphase. Die tägliche Care-Arbeit erfordert aber nicht nur zeitliche, sondern auch mentale und emotionale Ressourcen. Zudem sei sie immer schnell in den Job zurückgekehrt, um die Kollegen zu entlasten. Dass sie dabei selbst unter Druck geriet, manchmal sogar die Kinder mit ins Büro nehmen musste? Schien normal zu sein. Heute weiß sie, dass sie damit an ihre Grenzen ging.

©von Mende Marketing

Spätestens mit dem vierten Kind aber stand die Familie im Mittelpunkt. Seitdem sei es leichter gewesen, sich auf die Kinder einzulassen und die Zeit wirklich zu genießen. „Irgendwann hat man sogar eine gewisse Narrenfreiheit“, lacht Vera herzlich über die eigene Situation. „Niemand erwartet, dass man mit fünf Kindern noch einen selbstgebackenen Kuchen mitbringt.“ Die Konzentration auf die Kernfamilie habe ihr letztlich jene Kraft und Ruhe verliehen, die nötig war, um allen gerecht zu werden – und dabei gelassen zu bleiben.

Family first, Vorsorge second

Der Familie Mercker-Schneider geht es gut. Sie bewohnt ein eigenes Haus, beide Elternteile sind gut ausgebildet und berufstätig. Dennoch gibt es eine Schwachstelle: „Unser System ist darauf ausgelegt, dass immer alles gut geht“, bekennt Vera Mercker. Die ungleiche Verteilung der Arbeitszeit hat zur Folge, dass Vera im Hinblick auf die Altersvorsorge nicht ideal aufgestellt wäre, sollte die Familie nicht mehr fortbestehen. Das Problem der Versorgungslücke ist ein Thema, das sie beschäftigt – und möglichst bald angehen möchte.

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Mental Load und Me Time

Immer wieder verändere sich auch etwas. „Wir hatten Zeiten, da war unser Haus ein Taubenschlag. Jeder hatte noch jemanden zu Besuch“, erinnert sich Vera. Das sei schön gewesen, aber heute genieße sie auch die ruhigeren Minuten. „Die Größeren sind jetzt gerne unterwegs und die beiden Jüngsten lieben es, mit Clemens Ausflüge zu machen.“ So kehrt in dem charmanten Häuschen tatsächlich manchmal Stille ein. Vera nutzt solche Momente unter anderem zum Arbeiten. Mit zehn Stunden pro Woche ist sie als Redenschreiberin im Oldenburger Rathaus beschäftigt. „Das ist eine willkommene Abwechslung“, schmunzelt sie, obgleich die Tätigkeit ebenfalls hohe Anforderungen stellt.

 

©von Mende Marketing

Ehemann Clemens, Musikdozent an der Carl von Ossietzky Universität, hilft gerne in Haus und Garten, kümmert sich liebevoll um die Kinder. Die Organisation der vielen Termine und das Abstimmen der jeweiligen Bedürfnisse übernimmt aber Vera – und damit auch die mentale Last der Familienorganisation. „Wir versuchen, die Care-Arbeit gleichberechtigt aufzuteilen, aber manches hat sich eben anders entwickelt“, reflektiert die studierte Pädagogin die eigene Rolle. Doch auch hier bleibt sie gelassen: „Wir könnten das sicher optimieren. Aber es funktioniert auf diese Weise, deshalb bleibt es dabei.“

Doch was ist mit ihr selbst? Gibt es zwischen Liebeskummer und Legowelten noch Lücken für die sogenannte „Me time“, also Zeit für die eigenen Bedürfnisse? „Ja, mittlerweile durchaus“, stellt Vera nicht unzufrieden fest. Als die Kinder kleiner waren, sei das anders gewesen. „Jetzt müssen wir unsere Termine nicht mehr ausdiskutieren – jeder hilft mit und jeder passt auch mal auf die Kleinen auf. Da haben wir durchaus Zeit für uns selbst oder zu zweit.“

 

Zentrumsnahes Skandinavien

Trubel, Stress oder sogar Chaos? Gibt es im Alltag einer siebenköpfigen Familie durchaus; vor allem, wenn die Kinder noch klein sind. Doch Vera hat gelernt, bei der Care-Arbeit Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und dort loszulassen, wo festhalten nur Kraft kosten würde. Diese Gelassenheit überträgt sich spürbar auf die anderen Familienmitglieder. Trotz unvermeidbarer Kabbeleien bilden sie eine kleine feine Gemeinschaft, die füreinander da ist, miteinander und aneinander wächst. Das klingt nach Astrid Lindgrens „Bullerbü“ – und tatsächlich fühlt man sich im verwunschenen Garten an ein skandinavisches Idyll erinnert, obwohl das Häuschen mitten in einer deutschen Großstadt liegt. Aber auch dieser vermeintliche Widerspruch passt ins Bild, denn schließlich sucht man hier eines vergeblich: Klischees.

¹ „Care-Arbeit“ lässt sich auch als „Sorgearbeit“ bezeichnen. Der Ausdruck beschreibt Tätigkeiten des Sorgens und Sichkümmerns, etwa das Betreuen und Versorgen von Kindern oder Älteren, das Kümmern um den Haushalt oder um das soziale Netz aus Freundinnen und Freunden, Bekannten sowie Nachbarinnen und Nachbarn. (für eine weiterführende Definition siehe Bundeszentrale für politische Bildung)

² Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, 2021

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