DER WALDKINDERGARTEN

Die Natur und sich selbst entdecken

28. April 2023

©von Mende Marketing

Vier Stunden am Stück draußen sein, jeden Vormittag – was für manche nach einer Herausforderung klingt, zumal im Herbst und Winter, ist für „Die Trolle“ des Waldkindergartens in Schortens selbstverständlich. Wind- und wetterfest angezogen setzen sie sich mit ihrer natürlichen Umgebung auseinander. Und mit ihrer Persönlichkeit. Immer mit gebührendem Respekt und Verständnis. Frei von den Grenzen geschlossener Räume lernen die Kinder, gut mit der Natur und sich selbst umzugehen.


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Goldgelb schimmern die Strahlen der Herbstsonne auf den Haaren von Elke Eggers. Sie sitzt im Forst Upjever, inmitten von tiefgrünen Bäumen und umringt von zwölf Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren. „Die Trolle“ – eine liebenswerte Rasselbande und Namensgeber des Schortenser Waldkindergartens – lauschen gerade aufmerksam einem Kapitel aus dem Buch über die kleine Spinne Widerlich, mit dem Erzieherin Elke die Frühstücksrunde einläutet

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Die Mission: Schnecken sammeln, Baumstämme bereisen, Frösche fangen

Danach wird gegessen. Die Kinder haben am Wegesrand Platz genommen; genau dort, wo sie zuvor auseinandergestoben sind, um den Wald zum Spielplatz zu machen. Matschhose an den Beinen, eine wasserdichte Unterlage unter dem Po und den Mini-Rucksack neben sich. Ab und an bahnen sich Spaziergängerinnen und Spaziergänger ihren Weg durch den bunten Haufen. Halb überrascht, halb amüsiert – insbesondere wenn ihr Hund anfängt, an der Leine zu ziehen, weil es so verheißungsvoll aus den Brotboxen duftet.

Gleich nach dem Essen ist der Trupp aus Knirpsen schon wieder unterwegs. Sie sammeln Schnecken, rutschen an moosbewachsenen Riesenwurzeln herunter oder funktionieren einen umgefallenen Baumstamm zum Reisebus um. Sie suchen auf dem „Goldweg“ nach wertvollen Steinen und küssen Frösche – den verwunschenen Prinzen haben sie zwar (bisher) nicht mit nach Hause genommen, dafür aber umso mehr Erfahrung.

 

Im Wald zählen Entschleunigung und Besinnung – auf die Natur und auf sich selbst

„Man merkt den Kindern an, wie gut ihnen der Waldkindergarten tut“, freut sich Elke Eggers. „Dass sie ihre Zeit hier frei gestalten können, genießen sie sehr.“ Weit weg seien der zum Teil volle Alltag, der Überfluss an Eindrücken und – weil schlicht das materielle Spielzeug fehle – das andauernde Konfliktpotenzial. Im Wald zählen Entschleunigung und Besinnung auf das natürliche Umfeld sowie auf sich selbst.

Dieses Selbst zu entdecken, dafür bietet die Natur ideale Voraussetzungen. „Weil die Ablenkung fehlt, können die Kinder besser ihre Bedürfnisse und Interessen wahrnehmen“, erklärt Erzieherin Lena Reinsch, die selbst als Kind bei den „Trollen“ war. „Auch sich einfach mal zu langweilen, tut der Persönlichkeitsentwicklung gut“, lacht die 26-Jährige. Im Wald scheint es für alles mehr Raum zu geben. Und Nachsicht. So verbrachte etwa ein Kind mit Autismus, der damals noch nicht diagnostiziert worden war, seine Kindergartenzeit bei den „Trollen“. Es war viel für sich und brauchte klare Regeln. Aber: „Das konnten wir hier sehr gut auffangen – das Mädchen hat sich toll entwickelt“, freut sich Elke Eggers. „Auch Gefühle wie Trauer und Wut auszudrücken, dafür haben wir hier die ideale Umgebung und die Geduld.“ In geschlossenen Räumen loszupoltern, sei dagegen keine Option – zumal bei 25 Kindern, aus denen eine reguläre Kindergartengruppe besteht.

Fester Bestandteil des Waldkindergarten-Konzepts: Ein Drinnen gibt es nicht

Überhaupt: Ein Drinnen gibt es beim Waldkindergarten nicht. Zumindest nicht für die tägliche Nutzung. Zwar kann sich die Gruppe in einen Bauwagen zurückziehen, wenn sich die Vorschulkinder an neuen Themen ausprobieren sollen oder das Wetter es nicht anders zulässt, etwa bei heftigem Schneefall. Dann machen es sich „Die Trolle“ mit einem kleinen Gasofen, Kerzen und Keksen gemütlich. Aber davon abgesehen sind sie ausschließlich im Wald unterwegs – jeden Vormittag vier Stunden am Stück.

 

„Selbst wenn es vier Stunden regnet, ist es schön!“

Elke Eggers, Erzieherin im Waldkindergarten Schortens

 

Ob das nicht auch wetterbedingt einmal unangenehm werden kann? „Selbst wenn es vier Stunden regnet, ist es schön!“, widerspricht Elke Eggers. Man merkt ihr an: Das ist keine bloße Behauptung, sondern tief empfunden. Immer schon war ihr als Erzieherin wichtig, mit ihren Schützlingen Zeit im Freien zu verbringen. Erst führte sie in der KiTa Schortens einen monatlichen Waldtag ein. Bald schon gehörte der Ausflug zum wöchentlichen Programm. 2003 entwickelte sie dann gemeinsam mit einer Kollegin das pädagogische Konzept des Waldkindergartens und warb im Kinder- und Jugendausschuss des Landkreises Friesland erfolgreich für die Umsetzung – in einer Zeit, in der diese KiTa-Form in der Region noch unbekannt war. Die Erzieherin hat somit Pionierarbeit geleistet. Für Kinder, die auf diese Weise einen möglichst großen Bezug zur Natur und zu ihrer Persönlichkeit entwickeln können.

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Wider dem Gummistiefel: der Turnschuh-Test

Dieses „Frei“ bedeutet im Übrigen nicht, dass es keine Regeln gibt. Jeden Morgen, bevor es in den Wald geht, werden sie gemeinsam besprochen. Eliah weiß etwa, dass wegen des Fuchsbandwurms nichts von Bäumen oder Büschen gegessen werden darf. Jona kann erklären, wie die Kinder sich verhalten sollten, wenn ein Wolf auftaucht. Und auch nicht ganz unwichtig: In Pfützen wird erst nach dem Frühstück gesprungen, mahnt Emma.

Apropos Pfützen: An einen Moment kann sich Elke Eggers aus mittlerweile über 20 Jahren Erfahrung als Erzieherin besonders gut erinnern. Da stand einer ihrer Schützlinge mit brandneuen Turnschuhen mitten in einer Lache, das Wasser knöchelhoch. Und strahlte. „Guck mal, die Schuhe sind außen dicht und innen leicht!“ – für ihn war sein Test der Beleg: Die verhassten Gummistiefel braucht es gar nicht.

 

„Guck mal, die Schuhe sind außen dicht und innen leicht!“

Waldkompetent werden. Und lebenskompetent.

Genau darum geht es im Waldkindergarten: Dinge direkt zu erfahren, zu spüren, zu erleben. Die Kinder werden „waldkompetent“. Sie wissen nicht nur, wie sich ein rücksichtsvoller Umgang mit der Natur gestalten sollte, sondern lernen viel über die verschiedenen Baumarten, ihre Blätter und Nadeln, was die Jahreszeiten mit dem Wald machen, und welche Tiere zu ihm gehören. Und sie werden „lebenskompetent“ – ziehen sich selbst an, achten auf ihre Sachen, sorgen für andere und für sich.

Nicht umsonst findet der Waldkindergarten Anklang bei den Eltern; großen Anklang sogar. „Wir hatten von Beginn an eine Warteliste“, stellt Elke Eggers fest. Mittlerweile sind „Die Trolle“ aus dem Upjever Forst nicht mehr wegzudenken. Man könnte sogar sagen: Sie sind ein natürlicher Teil von ihm geworden.

Wandern mit Wollwolken auf vier Beinen

Das Fell von Alpakas ist unwiderstehlich – ebenso wie ihre Ruhe. Sie überträgt sich, beispielsweise wenn man mit ihnen spazieren geht. Auch ganz ohne Berührung.

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