Mit dem Krabbenkutter nachts auf See

Fischen kennt keinen Fahrplan

11. April 2024

1786 als Krabbenfischer nachts auf See

©Marcus Windus

Söhnke Thaden hat seinen Beruf im Blut – schon der Vater war Krabbenfischer. Und im Herzen. Denn ob tagsüber oder bei Nacht: Was zum Fischen dazugehört, macht er gerne. Das Auslaufen mit seinem Kutter „Christine“, das Aussetzen und Einholen der Netze, das Löschen der Ladung, das Säubern des Schiffs. Für eine erfolgreiche „Fangreise“ muss ein Fischer auf die Signale der Natur hören können, Erfahrungswerte und viel Geduld mitbringen. Aber Thaden findet: Selbst die Momente des Wartens haben ihren Reiz, vor allem bei Dunkelheit.


Die Netze liegen am Meeresboden, die Besatzung schläft. Alles ist bestmöglich vorbereitet für den nächtlichen Fang. Dann wird es ganz, ganz ruhig um Söhnke Thaden. Er ist allein auf Deck – mit sich und weiter nichts. Ein besonderer Moment, den der Krabbenfischer bewusst auf sich einwirken lässt und genießt. „Ich lasse mich zurückfallen und staune!“ Die Nacht kann überwältigend sein. Geheimnisvoll, sogar beklemmend einerseits. Aber auch reizvoll, umarmend, fast magisch andererseits.

Fischen: besser bei Dunkelheit

Für die Fischerei gilt in jedem Fall: Sie läuft nachts besser als tagsüber, denn Fische sehen bei Dunkelheit das Netz nicht oder schlechter. „Manche Arten wie die Seezunge lassen sich nur dann fangen“, weiß Thaden aus über 35 Jahren Erfahrung. Den Beruf des Fischers übte schon sein Vater aus, von dem er das Handwerk gelernt hat. Ende der 1980er Jahre war Thaden bei ihm in der Lehre und bestand später auch die Prüfung zum Kapitän.

Sein Krabbenkutter „Christine“ liegt im Hafen von Fedderwardersiel, einer der letzten aktiven Kutterhäfen in Niedersachsen. Von hier aus bricht Thaden zu den sogenannten „Fangreisen“ auf, über den Priel Richtung Nordsee. In der Regel ist er mit seiner Mannschaft von sonntags bis freitags unterwegs. Tag und Nacht, ohne Unterbrechung. Sie sind meist zu dritt auf dem Schiff: Einer schläft, einer steuert, einer arbeitet. Natürlich in Übereinstimmung mit dem Arbeitsschutzgesetz, darauf legt Söhnke Thaden großen Wert.

 

Kein fester Fahrplan

Den genaueren Zeitpunkt des Aufbruchs gibt das Wetter vor. „Wir richten uns nach der Natur – und die hat viele Gesichter“, sagt er. Ab Windstärke 7 werde es beispielsweise schwierig zu fischen. „Sturm behindert uns, weil das Schiff verhältnismäßig klein ist“, erklärt Thaden. 24 Meter dürfe seine Länge höchstens betragen, um für die Küstenfischerei zugelassen zu sein – damit sei es aber auch sturmanfälliger. „Außerdem bewegen wir uns küstennah und in der Nordsee. Da muss die Wetterlage entsprechend sein.“

©Marcus Windus

Auch die Jahreszeit spielt eine Rolle. Die Nordseekrabbe – das Hauptgeschäft des Fischers – nimmt bestimmte Wanderwege: Im Spätsommer und Herbst hält sie sich im Wattengebiet, also in warmen, flachen Wassern auf. Im Winter wandert sie ab und verteilt sich in der Nordsee. Dann muss Thaden mit seiner Besatzung weiter aufs Meer hinausfahren. „Sie warten eben nicht auf uns“, stellt er mit einem Augenzwinkern fest. Ansonsten: Ob Regen, Nebel oder Sonne, bei klarem oder bedecktem Himmel, bei Licht oder Dunkelheit – es gibt keinen festen Fahrplan, keine Regelmäßigkeit.

©Marcus Windus

Zusammen mit der Mannschaft.
Und der Natur.

Bevor es auf Fangreise gehen kann, muss der Fischer einiges vorbereiten: die Auslaufzeit festlegen, die Besatzung – im doppelten Sinne – ins Boot holen, Maschine und Materialien kontrollieren, das Fischereilogbuch starten. Und nicht zuletzt das Schiff mit Wasser und Proviant ausrüsten. Sind sie am Fangplatz angelangt, kann es losgehen. Links und rechts der „Christine“ hängen schon die Netze im aufgerichteten Fanggeschirr und werden dann ausgesetzt. Wie lange „geschleppt“ wird, also die Netze über den Meeresboden rollen? „Das sagen meine Erfahrungswerte“, sagt Thaden. „Zwischen 20 Minuten und vier Stunden.“

Wer sich dem Krabbenfang verschreibt, braucht neben Fertigkeiten also vor allem Geduld. Sie aufzubringen, hat einen ganz eigenen Reiz, findet der Krabbenfischer: „Diese Phasen des Wartens sind vollkommen frei von Stress. Ich bin nur mit meiner Mannschaft zusammen. Und der Natur.“ Möwen kommen keckernd an Deck, weil sie hungrig sind. Seehunde schwimmen neben dem Schiff her und hoffen, dass ein Fisch über Bord fällt. Es ist eine kleine eigene Welt, die dann entsteht. In ihrer Mitte der Kutter.

Mit Herz. Bei Tag und Nacht.

Wenn die Netze hochkommen, steht der nächste Schritt an: die Verarbeitung. Direkt nach dem Fang werden die Krabben in einem großen Kessel gekocht, damit sie frisch bleiben. Manchmal läuft die „Christine“ zwischendurch im Hafen ein, um die Ladung zu löschen. Bis zu sechs Tonnen können bei einer Fangreise zusammenkommen. Je nach Fangziel besteht sie entweder aus Nordseekrabben oder aus Plattfischen wie Seezunge, Scholle und Steinbutt. Ein Lkw übernimmt die fangfrische Ware, anschließend wird das Schiff sauber gemacht – ob nachts um 4 Uhr oder morgens um 10 Uhr.

Für Söhnke Thaden macht das keinen Unterschied. Was zählt: dass sein Beruf ihn zwar fordert, vor allem aber erfüllt. „Er besteht darin, so effektiv wie möglich zu fischen und auch zwischen zwei Stürmen mit einer guten Fangreise nach Hause zu kommen“, sagt er. Dafür brauche es einen gesunden Ehrgeiz. Und Begeisterung: „mit Herz rangehen“, nennt Thaden das. Seines schlägt für die Fischerei – bei Tag und bei Nacht.

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